Abstract (deu)
In der Arbeit werden die Moralkonzeptionen von Emile Durkheim und Karl Polanyi sowie die Problematik von Moral und Nationalsozialismus einem soziologischen Vergleich unterzogen.
Der erste Teil der Arbeit behandelt Emile Durkheims Moraltheorie, die sich aus den Krisenerfahrungen der Gesellschaft Frankreichs seit der Französischen Revolution ableitet. Moral ist dabei ein Mittel der gesellschaftlichen Solidarität, die totalitäre Züge trägt. Der „Kult der Totalität“ zeigt sich in einer Fügung des Individuums in nicht änderbare Verhältnisse und dass sich jede Gesellschaft nur jene Moral geben kann, die der Situation und den Anforderungen angemessen ist. Kennzeichen seines Ansatzes ist eine partikulare Moral, die sich stark von der Ethik abgrenzt.
Im zweiten Teil wird Karl Polanyis Moralkonzeption herausgearbeitet, die sich aus dem Gegensatzpaar Wirtschaftsliberalismus und Faschismus ableitet. Erstere Gesellschaftsordnung band das Individuum unmittelbar und bekam ihre wissenschaftliche Legitimation durch ökonomische Naturgesetzlichkeiten, die unter Außerachtlassung gesellschaftlicher Zwänge die Wahrnehmung individueller Verantwortung betonten. Der Faschismus postulierte eine politische Moral, die zu einer undurchdringlichen Einheit von Herrschaft und Gesellschaft führte, die sämtliche demokratischen Einrichtungen beseitigte und unter Vorgabe moralischer Strukturen einen systematischen Ausschluss weiter Teile der Gesellschaft betrieb.
Im dritten Teil wird die Verbindung von Moral und Nationalsozialismus erörtert. Eine mit universalistischem Anspruch auftretende partikulare Moral führt unweigerlich zu einer geschlossenen Gesellschaftsordnung, in der die moralische Auslöschung der physischen vorangeht. In der Systemfrage werden alternative politische und philosophische Konzeptionen a priori ausgeschlossen, entsprechend stark ist das Koordinationselement. In der Akteursfrage wird dem Individuum jegliches moralisches Vermögen und die Fähigkeit, Kooperationsbedingungen einzuhalten, abgesprochen.