Abstract (deu)
In der Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie Leiharbeit seit ihrer gesetzlichen Regelung im Jahr 1988 in Österreich und auf europäischer Ebene reguliert wurde. Bei Leiharbeit
handelt es sich um eine atypische Beschäftigungsform, die im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt ist. Im Jahr 2002 konnte von den
Sozialpartnern der Kollektivvertrag zum Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung abgeschlossen werden, in dem wesentliche arbeitsrechtliche Bestimmungen definiert wurden. Der österreichische Kollektivvertrag gilt auf europäischer Ebene als good practice-Beispiel, wie
auf sozialpartnerschaftlicher Ebene Interessen der Wirtschaft und der ArbeitnehmerInnen
vereinbart werden können. Die nationalen Schwierigkeiten bei dem Verhandlungsprozess zur Leiharbeit spiegeln sich auf europäischer Ebene wider. Die Richtlinie zur Leiharbeit 2008/104/EG konnte wegen der beträchtlichen arbeitsrechtlichen Unterschiede in den Mitgliedsländern nach einer sechs Jahre andauernden Blockade im Ministerrat beschlossen werden. Für das Zustandekommen und für
die Ausgestaltung der Richtlinie wird die Etablierung des europäischen Beschäftigungskonzeptes Flexicurity – kurz: soziale Absicherung atypischer Beschäftigungsverhältnisse – durch Kommission und Rat verantwortlich gemacht, das sich
schließlich positiv auf die Beschlussfähigkeit des EU-Ministerrates ausgewirkt hat. In weiterer Folge wird der Umsetzungsbedarf der Richtlinie in Österreich thematisiert, zudem werden die in den Flexicurity-Grundsätzen genannten Beschäftigungsgruppen (Zugang zu Weiterbildung, Junge, Ältere, Gleichstellung der Geschlechter) mit aktuellen Daten zur Leiharbeit verglichen. Die Arbeit wurde in drei Phasen gegliedert – Regulierung der Leiharbeit in Österreich, Regulierung der Leiharbeit in der Europäischen Union und die Umsetzung der Richtlinie in
Österreich. Theoretisch orientiert sie sich am Institutionalismus. An dieser Stelle wurden
Ansätze des Rational Choice und Akteurzentrierter Institutionalismus nach Fritz Scharpf und
Renate Mayntz miteinander kombiniert.
Österreich hat mit dem Kollektivvertrag einen wesentlichen Grundsatz der Richtlinie zur Leiharbeit bereits eingeführt: der Gleichbehandlungsgrundsatz. Damit verfügt Österreich über
ein hohes arbeitsrechtliches Schutzniveau, obwohl in der Praxis noch Problematiken v.a. durch missbräuchlich angewendete einvernehmliche Dienstauflösungen bestehen. Die „Türöffnerfunktion“ von Leiharbeit ist zu einem überwiegenden Teil nicht gegeben: Sie verfestigt atypische Erwerbsbiografien und kann aufgrund des Sozialversicherungssystems nach dem Äquivalenzprinzip für Frauen, MigrantInnen und Randgruppen zu einer erhöhten
Armutsgefährdung führen.
Die Frist für die Umsetzung in nationales Recht endete mit 5.12.2011 - ohne Ergebnis.
Österreich ist somit säumig in Bezug auf die Umsetzung der Richtlinie. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die sozialpartnerschaftliche Verhandlungsstruktur zurzeit geschwächt ist.