Abstract (deu)
Das derzeit gültige „Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – AschG) ist seit 1995 in Kraft und enthält erstmals in der Geschichte des österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzes die gesetzlich vorgeschriebene Gefahrenevaluierung und Festlegung von Maßnahmen (§ 4 ASchG). Gleichzeitig beinhaltet das aktuelle ASchG mitsamt seinen Verordnungen so wenige frauenspezifische Arbeitsschutzbestimmungen, wie noch nie zuvor in der Geschichte des ArbeitnehmerInnenschutzes. Diese Arbeit geht der Frage nach, inwiefern dieses weitgehend geschlechtsneutrale Gesetz in seiner Anwendung zu einer geschlechtergerechten ArbeitnehmerInnenschutzpraxis beiträgt.
Den Ausgangspunkt meiner Arbeit bilden neben den relevanten Rechtsnormen, bisherige wissenschaftliche Forschungen zum Zusammenhang von ArbeitnehmerInnenschutz und Geschlecht. Mit dem Blick der Genderforschung richte ich den Fokus auf die Frage nach der Beschaffenheit der Geschlechterverhältnisse im ArbeitnehmerInnenschutz und daraus folgend auf die Frage nach der gerechten Verteilung der Ressourcen des ArbeitnehmerInnenschutzes zwischen den Geschlechtern. Das Ziel meiner Untersuchung ist es, Ergebnisse zu liefern, die einen Beitrag zur geschlechtergerechten Praxis der Umsetzung der Gefahrenevaluierung leisten. Die Forschungsfragen richten sich dabei auf drei praxisrelevante Fragen:
1. Inwiefern hat die geschlechtsneutral normierte „Gefahrenevaluierung“ und „Festlegung von Maßnahmen“ nach § 4 AschG geschlechtsspezifische Auswirkungen in ihrer Anwendung?
2. Welche Ursachen für mögliche geschlechtsspezifische Auswirkungen gibt es?
3. Welche Maßnahmen können die Umsetzung einer geschlechtssensiblen Gefahrenevaluierung fördern?
In meinen Forschungsannahmen gehe ich davon aus, dass eine geschlechtergerechte Umsetzung der Gefahrenevaluierung, also eine Praxis, die die Ressourcen des ArbeitnehmerInnenschutzes gerecht zwischen den Geschlechtern verteilt, derzeit im österreichischen ArbeitnehmerInnenschutz nicht gegeben ist. Ich behaupte, dass das historisch gemachte, hierarchisierende Geschlechterverhältnis, das Frauen einen anderen Platz in unserer
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Gesellschaft zuschreibt als Männern, auch im Kontext des ArbeitnehmerInnenschutzes wirksam wird.
Als Untersuchungsmethoden habe ich die rechtshistorische Analyse des ArbeitnehmerInnenschutzes hinsichtlich Geschlechterfragen gewählt, um nachzuzeichnen, wie sich das historisch gemachte Geschlechterverhältnis in diesem Kontext eingeschrieben hat, sowie die Erhebung der Rechtspraxis der Gefahrenevaluierung anhand von leitfadengestützen qualitativen ExpertInneninterviews. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung liefern vielfältige Ursachen für geschlechtsspezifische Auswirkungen der Gefahrenevaluierung. Zahlreiche Beispiele aus den verschiedenen Branchen des österreichischen Arbeitsmarktes werden hier dargestellt. Ein weiteres Ergebnis meiner Untersuchung sind jene, aus Sicht der ExpertInnen dringlichsten Maßnahmen, deren Umsetzung zu einer geschlechtergerechteren Praxis der Gefahrenevaluierung am Arbeitsplatz beitragen würden.