Abstract (deu)
Im Laufe der Wissenschaftsgeschichte kam es zu der Entstehung eines großen literarischen Korpus, welcher dem Versuch einer adäquaten Darstellungsweise afrikanischer Kulturen und Gesellschaften nachgeht. Die darin enthaltenen Werke sind oft unterschiedlichen disziplinären Ursprungs und liegen auch differierenden Motivationen zugrunde, allerdings verbinden sie – insbesondere in Bezug auf kulturelle Fragen - die meist wenig analytischen Beschreibungen der Gegebenheiten. Aufgrund einer derartigen unkritischen Vorgehensweise einiger AutorInnen, kam es zu so genannten „reductive abstractions“ (Hallen 2000: 38), also der Hervorhebung und Überinterpretation gewisser Elemente afrikanischer Kulturen und deren unmittelbaren Assoziation mit einer „afrikanischen Weltsicht“.
Ausgehend von der Frage, wie „authentisch“ die Darstellung von Religion als etwas sehr Subjektives und Dynamisches wirklich sein kann, widmet sich die vorliegende Diplomarbeit der Repräsentation afrikanischer Religionen durch unterschiedliche Wissenschaftszweige, wie Ethnologie, Theologie, Religionswissenschaft, Philosophie und Geschichtswissenschaft, im historischen Prozess, wobei der Fokus auf den Veränderungen in den Zugängen und Darstellungsweisen liegt. Beispielhaft wird die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Glaubenssystem der Yorùbá im Südwesten Nigerias und insbesondere mit der Ifá-Divination beleuchtet. Dazu werden ausgewählte Publikationen zu Ifá von europäischen und afrikanischen Autoren herangezogen und kritisch analysiert. Außerdem erfolgt durch die Unterteilung der ausgewählten Texte anhand drei großer Perioden eine Gegenüberstellung der Literatur unterschiedlicher historischer Zeitabschnitte. Die Analyse beginnt mit der Zwischenkriegszeit, da hier die Anfänge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit afrikanischen Religionen anzusetzen sind. Danach folgt die Phase von den 1940er Jahren bis zur großen Welle der Unabhängigkeiten der afrikanischen Länder in den 60ern. Die letzte Phase der Analyse beginnt mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962), wodurch sich die Wahrnehmung von afrikanischen Religionen veränderte, und enthält auch modernere wissenschaftliche Texte zum Glaubenssystem der Yorùbá.
In der Annahme, dass Authentizität in der Darstellung afrikanischer Religionen vor allem aus einer Vielzahl an Stimmen heraus entsteht, enthält diese Arbeit auch Interviews mit drei Experten der Yorùbá-Kultur: Prof. Wande Abímbólá, ein praktizierender Babaláwo; Prof. Akínwùmí Ìşòlá, Schriftsteller, Universitätsprofessor und Experte für die Sprache und Kultur der Yorùbá; und schließlich Dr. S. A. Osunwole, Professor für Ethnomedizin und Heiler.
Die theoretische Einbettung der Arbeit erfolgt einerseits aufgrund der Ansätze des ghanaischen Philosophen Kwasi Wiredu (1998), der die Auferlegung fremder philosophischer Traditionen und Denkkategorien in afrikanischen Denksystemen zurzeit des Kolonialismus thematisiert, andererseits spielen Überlegungen von Quine (1960) und Bourdillon (1993) bezüglich möglicher Hindernisse im wissenschaftlichen Umgang mit afrikanischen Religionen eine wichtige Rolle.