Abstract (deu)
Diese kumulative Dissertation widmet sich dem Thema Beschleunigung im Arbeitsleben anhand zweier zentraler Fragestellungen. Zum einen wird der Frage nachgegangen, wie sich Beschleunigung im Arbeitsleben manifestiert und zum anderen, wie sich Beschleunigung auf die Beschäftigten auswirken könnte.
Als theoretische Basis dient die vom Soziologen Hartmut Rosa (2005) verfasste Analyse von Beschleunigung, in welcher er Veränderungen von Zeitstrukturen in der Moderne beschreibt.
Rosa (Rosa) postuliert, dass sich Beschleunigung anhand eines Anstiegs von Menge pro Zeiteinheit zeigt. So erlauben z.B. technische Entwicklungen die Produktion von mehr Gütern in kürzerer Zeit. Außerdem führt Rosa (Rosa) aus, dass auch eine Erhöhung von Veränderungsraten beobachtbar ist. So können beispielsweise häufige Wechsel von Berufspräferenzen und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt auf Beschleunigung zurückgeführt werden. Inhaltlich ordnet er die unterschiedlichen Beschleunigungsphänomene drei Dimensionen zu: der technologischen Beschleunigung, der Beschleunigung des sozialen Wandels und der Beschleunigung des Lebenstempos.
In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass aus der Beschreibung dieser drei Dimensionen Anforderungen für das Arbeitsleben abgeleitet werden können, die mit Beschleunigung
im Zusammenhang stehen (beschleunigungsspezifische Anforderungen). In einem ersten Schritt wurden daher aus den drei Beschleunigungsdimensionen sowie der Definition von
Beschleunigung Anforderungen abgeleitet, wie z.B. Arbeiten mit hoher Geschwindigkeit, Arbeiten unter hohem Druck, Überstunden und Verlängerung der Arbeitszeit. Außerdem
wurde argumentiert, inwiefern sich die beschleunigungsspezifischen Anforderungen von
traditionellen Arbeitsanforderungen (z.B. Zeitdruck) unterscheiden.
Im zweiten Schritt wurde ein Instrument entwickelt, um die beschleunigungsspezifischen Anforderungen im Arbeitsleben zu erfassen. Dafür wurden die im ersten Schritt theoretisch
abgeleiteten Anforderungen in Items umgesetzt, die mittels eines Fragebogens untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass Beschäftigte in zwei unterschiedlichen Berufsfeldern
(Büroarbeit und Dienstleistung) durchaus beschleunigungsspezifische Anforderungen wahrnehmen. Zusätzlich wurde mittels einer konfirmatorischen Faktorenanalyse nachgewiesen, dass sich die Items drei Dimensionen zuordnen lassen.
Im dritten Schritt wurde überprüft, ob sich die beschleunigungsspezifischen Anforderungen von traditionellen Anforderungen unterscheiden. Dafür wurden in einer Studie im Pflegebereich sowohl traditionelle Anforderungen als auch beschleunigungsspezifische Anforderungen erhoben. Mithilfe von hierarchischen Regressionsanalysen konnte gezeigt werden, dass
bei der Erklärung von Burnout und Engagement die Aufnahme von beschleunigungsspezifischen Anforderungen signifikant zur Erhöhung der aufgeklärten Varianz beiträgt. Außerdem
zeigte sich durch das Hinzufügen von Interaktionseffekten, dass traditionelle Anforderungen und beschleunigungsspezifische Anforderungen keineswegs in Wechselwirkung stehen, sondern dass vielmehr ein additiver Effekt angenommen werden muss. Jedoch ergaben sich unerwartete Zusammenhänge zwischen beschleunigungsspezifischen Anforderungen und den Zielgrößen. So zeigten die Anforderungen für die technische Beschleunigung
keine Zusammenhänge mit den Zielgrößen, die Anforderungen bezogen auf den sozialen Wandel waren mit Burnout negativ und mit Engagement positiv assoziiert und die Anforderungen
bezogen auf die Beschleunigung des Lebenstempos waren mit Burnout positiv und mit Engagement negativ assoziiert.
Im vierten Schritt wurden daher die Beziehungen zwischen beschleunigungsspezifischen Anforderungen und dem Wohlbefinden der Beschäftigten detaillierter untersucht. In Anlehnung an den challenge-hindrance approach (Cavanaugh, Boswell, Roehling, & Boudreau, 2000) wurde davon ausgegangen, dass beschleunigungsspezifische Anforderungen positive und negative Aspekte beinhalten können. Daher wurden die Studienteilnehmer/innen gebeten zu bewerten, ob sie die beschleunigungsspezifischen Anforderungen positiv im Sinne einer Herausforderung oder negativ im Sinne einer Behinderung wahrnehmen. Anschließend wurden die Zusammenhänge zwischen den beschleunigungsspezifischen challenge und
hindrance Anforderungen und emotionaler Erschöpfung (als Kerndimension von Burnout) und Vitalität (als Kerndimension von Engagement) im Längsschnitt untersucht. Dabei zeigte
sich, dass ein Anstieg der beschleunigungsspezifischen challenge Anforderungen sich positiv auf die Vitalität und negativ auf die Erschöpfung der Beschäftigten auswirkt. Umgekehrt beeinflussten die beschleunigungsspezifischen hindrance Anforderungen die Erschöpfung positiv und die Vitalität negativ.