Abstract (deu)
Diese Dissertation setzt sich mit dem Denken Giorgio Agambens und seinen Implikationen für die politische Theorie auseinander. Nicht zuletzt in diesem Feld wird die Relevanz seiner Thesen mit Fokus auf ihre inhaltlichen Probleme und ihren provokanten Gestus in Frage gestellt. Ausgehend von der im Forschungsstand unterrepräsentierten Überzeugung, dass Agambens Werk fruchtbare Einsichten in Bezug auf den aktuellen Politikbegriff liefert, da seine Studien tradierte Theoreme – seien sie von Aristoteles oder Hobbes – einer kritischen Revision unterziehen, wird diese Arbeit Agambens Vorgehensweise rekapitulieren, um zu erfahren, wie er diese Perspektivverschiebungen erreicht. Für Darstellung und Analyse seines Denkmodells entwickelt diese Untersuchung die Formel vom Paradigma der Schwelle, die sowohl Agambens zentrale Denkfigur als auch seinen methodischen Leitfaden darstellt, und es erlaubt, Agambens weit gefächertes Ideennetz zugänglich zu machen, seine Binnenrelationen zu erhellen und für externe Beobachter zu adaptieren. Das Paradigma ist in Agambens Verständnis selbst eine Schwelle und jedes der von ihm betrachteten Felder wird zu einem Beispiel, d. h. Paradigma für die Funktions- und Seinsweise der Schwelle als Ort einer Unterscheidung. Die Schwelle wird als rekurrente Denkfigur zum Paradigma für Agambens Denken und in Agambens Werk. Seine Gegenstände sind von der Art, wie sie erfasst werden, ununterscheidbar. Im Verlauf dieser Arbeit wird nicht nur behauptet, dass darin der Schlüssel zu Agambens Thesen liegt, sondern auch erwartet, dass sich auf dieser Ebene eigene Forschungsvorhaben umsetzen lassen. Dieses Anliegen verwirklicht diese Dissertation in zwei Varianten. Sowohl die Auseinandersetzung mit der (bio-)politischen Anthropologie des französischen Ethnologen Pierre Clastres als auch die kritische Analyse der Funktionalität von Schwellenbegriffen im Rahmen des Deutschen Staatsrechtsdiskurses gehen aus dem Potential von Agambens Denken von Schwellen in Paradigmen hervor. Beide Beispielanalysen nutzen, die Schwellenperspektive als Beobachtungshaltung und Analyseraster, um mögliche Ergänzungen oder Erweiterungen der von Agamben vorgegebenen Themenfelder zu zeigen. Darüber hinaus werden dort zentrale Schwellenaspekte im Denken Agambens reflektiert, um ihre analytische Bedeutung für die Revision politischer Theorie zu erproben. Während der erste Teil die Einordnung und Abgrenzung meiner Agambeninterpretation im Kontext der Agambenrezeption besorgt, wird im zweiten Teil Agambens Denkmodell in verschiedene Aspekte und anhand mehrerer Beispiele aufgefaltet, um schließlich die Hauptfragen dieser Arbeit im dritten Teil praktisch zu beantworten: Wie kann Agambens Denken fruchtbar werden? Was kann diese Perspektive zeigen bzw. welche Anwendungsmöglichkeiten bietet sie? Ich rekapituliere und interpretiere Agambens Methode also weniger um ihrer selbst willen, denn als Mittel und Ausgangsbasis eigener Forschungsperspektiven.