Abstract (deu)
Am Beispiel Anita Berbers, Ausdruckstänzerin und Lebemensch der Zwanzigerjahre, wird in dieser Arbeit versucht, das Leben nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen exzessiven Auswüchsen am Tag und vor allem bei Nacht darzustellen. Eine neu gewonnene Freiheit und ein wildes Ausgelassensein hat nicht nur die Varietés mit ihren Revuegirls und die Nachtklubs beflügelt. Auch der klassische Tanz (Ballett) wurde mit dem aufkommenden Ausdruckstanz, auch ‚moderner Tanz’ genannt, in Deutschland von einer neuen Seite betrachtet. Man hatte zu Beginn der Zwanzigerjahre mit der Inflation und der Entwertung der Reichsmark, die mit einer hohen Arbeitslosigkeit (Kriegsheimkehrer, Invaliden, Spekulanten usw.) einherging, zu kämpfen. Dennoch gab es zur selben Zeit genug Möglichkeiten, das Leben mit seinen Sonnen- und Schattenseiten zu genießen: Nachtleben und Tanz gab es in Berlin in allen möglichen Facetten (Tanzpaläste für die Reichen – Bars und Nachtlokale für die Ärmeren). Etliche junge Frauen strebten voller Enthusiasmus in das Arbeitsleben. Sie waren das Zielpublikum in Sachen Mode, Arbeit, Wohnen und Ausgehen. In den Modezeitschriften fand man für sie (und ihn) die passende Abendgarderobe, die neuesten Haushaltsgeräte, Jobangebote und Reklame der Cafés, die gerade im Trend waren (was sich täglich ändern konnte). Ein neues Gefühl der Körperlichkeit entstand. Die Mode, der Sport, der Tanz und vieles mehr bewirkten ein Sexualitätsverständnis. Homosexualität wurde offen ausgelebt und ausprobiert. Vereine der freien Körperkultur wurden in ganz Deutschland gegründet und hatten regen Zulauf. Beim Ausdruckstanz und beim Striptease war das Entblößen des Körpers Teil der Darstellung und es stellt sich die Frage, inwieweit es bei diesem Kunst war und bei dem anderen nicht. Und wollte der moderne Tanz tatsächlich keine Erotisierung beim Publikum bewirken? Anita Berber war eine dieser Tänzerinnen, die zwischen Kunst und Erotik sowohl im Leben als auch im Tanz balancierte.