Abstract (deu)
Im öffentlichen urbanen Raum sind wir täglich von einer Vielzahl von Schriftlichkeit
umgeben. Geschaffen von Menschen für Menschen, von AutorInnen für LeserInnen
stellen diese Texte in ihrer Gesamtheit die Sprachlandschaft eines Gebietes dar. In der
vorliegenden Arbeit wird eben diese Sprachlandschaft mit Hilfe der Methode der
Linguistic Landscape (LL) (siehe u. a.: Shohamy & Ben-Rafael & Barni 2010, Jaworski &
Thurlow 2010 oder Shohamy & Gorter 2009), durchzogen von Einflüssen und
Herangehensweisen der Ethnographie untersucht. Anders als in vorhergehenden Studien
gehe ich jedoch über die Analyse reiner Schriftlichkeit hinaus und beginne meine
Forschung beim Menschen - den TextproduzentInnen und den von ihnen gesetzten
sprachlichen Handlungen.
Daraus ergeben sich folgende zentrale Fragestellungen: Wer sind die AutorInnen der
Schriftlichkeit? Welche RezipientInnen erreichen sie und welche Auswirkung hat die
potentielle LeserInnenschaft auf die Sprachwahl? Wie sind diese linguistischen
Handlungen im lokalen Sprachregime (Coulmas 2005, 2007 oder Coulmas & Heinrich 2005)
verortet?
Als Forschungsfeld dieser empirischen Arbeit dient das Wiener Brunnenviertel. Es handelt
sich um ein dicht verbautes Marktgebiet, geprägt von einer heterogenen, multilingualen
und multikulturellen Bevölkerungsstruktur. Analysiert wurden im Laufe meiner Forschung
Photos von vorgefundener Schriftlichkeit, aufgenommen entlang des Brunnenmarktes
(der Brunnengasse sowie des Yppenplatzes). Weitere Daten wurden durch vertiefende
Interviews mit TextautorInnen sowie durch Teilnehmende Beobachtung gewonnen.
Ausgehend von der Sprachwahl der TextproduzentInnen wurden linguistische und soziale
Verhaltensmuster identifiziert und an die Oberfläche gebracht. Es zeigte sich eine starke
Tendenz der AutorInnen, in ihrer Schriftlichkeit ein breites und ausgeprägt heterogenes
Publikum zu adressieren. Die erlangten Ergebnisse heben sich deutlich von früheren
Studien ab, die sich mit diesem Gebiet beschäftigten und deren Resultate in der
RezipientInnenschaft bzw. KundInnenschaft noch eine starke Segregation zwischen
ethnischen „communities“ sowie Ökonomien und der autochthonen Mehrheitsbevölkerung
sahen (vgl. Studien von Haberfellner & Böse 2000 und Haberfellner & Koldaş
2002). Diese Erkenntnisse lassen sich durch meine Arbeit sichtbar widerlegen. Besonders
auf linguistischer Ebene ist solch eine Segregation in den überwiegenden Fällen nicht
vorzufinden.
AutorInnen schaffen Schriftlichkeit im Hinblick auf eine tatsächliche sowie eine
vorgestellte LeserInnenschaft, eine potentielle KundInnenschaft. Sprache und Sprachwahl
der AutorInnen wird in unterschiedlichsten Funktionen eingesetzt, von rein referentiellinformartiver
bis hin zu einer stark symbolischen, in der Sprache als Handelsware, als
„commodity“ (u.a.: Heller 2011, 2003 oder Leeman & Modan 2010, 2009 oder Tan & Rubdy
2008) zum Zwecke einer Wertsteigerung eingesetzt wird.
So sehen sie sich täglich einem individuellen Aushandlungsprozess gegenüber, in dem sie
Sprachwahl und sprachliche Handlungen unter Einbeziehung der Bedürfnisse ihrer
„audience“ (siehe „Audience Design“, Bell (1997) abwägen und treffen, um eine
Identifizierung der LeserInnen mit ihren Waren oder Dienstleistungen durch eine
möglichst überzeugende Darstellung von Authentizität zu erreichen.
Es ist die Gesamtheit aller AutorInnen und ihrer Praktiken, die schließlich durch ihre
gelebte multilinguale Realität aus urbaner Öffentlichkeit sozialen sprachlichen Raum
entstehen lässt.