Abstract (deu)
Das Thema dieser Arbeit ist Friedrich Ritter von Wiesner, seine Tätigkeit in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, seine Aktivitäten nach dem ersten Weltkrieg und seine Verfolgung durch die Nationalsozialisten.
Diese Arbeit hat neben Akten aus Washington und aus verschiedenen Wiener Archiven hauptsächlich Beuteakten aus dem Moskauer Sonderarchiv als Grundlage, die zum großen Teil zurück nach Wien überstellt werden konnten und hier im Staatsarchiv im Archiv der Republik (AdR) eingeordnet sind. Von diesen war hauptsächlich der Nachlass Friedrichs Ritters von Wiesner, des Diplomaten und Legitimisten, Gegenstand der Untersuchung. Sein Tagebuch von 1898 und 1906, Aufzeichnungen zu Besprechungen im k.u.k. Ministerium des Äußern aus dem Juli 1914, Berichte vom Armeeoberkommando in Neu Sandez und Teschen während des Ersten Weltkrieges, Briefe an ihn vom ehemaligen Außenminister Czernin und vom Staatskanzler Renner, sowie Besprechungsprotokolle von Unterredungen mit diesem wegen der Übernahme der Leitung des Staatssekretariates für Äußeres stammen aus diesem Bestand. Zur Untersuchung der Legitimistischen Bewegung dienten Dokumente hauptsächlich aus dem Bestand des Reichsbundes der Österreicher, in dem Wiesner führend tätig war.
Friedrich Wiesner, geboren 1871, Sohn des berühmten jüdischen Biologieprofessors Richard Ritter von Wiesner, der für seine Leistungen geadelt wurde, absolvierte das Gymnasium in Kremsmünster, studierte Jus an der Universität Wien und wurde Richter in Baden. Stets gewissenhaft bemüht, alles genau und wahrheitsgemäß zu erledigen, strebte er nach Selbsterkenntnis, wie er in seinem Tagebuch von 1898 festhielt. Dieses gewissenhafte Streben und sein Glaube an die Wahrheit brachte ihn einerseits weiter – 1911 trat er ins k.u.k. Ministerium des Äußern ein – und machte ihn zu einem angesehenen Mann, andererseits holte ihn stets die politisch-historische Realität ein, die seine Bemühungen ad absurdum führte. Sei es als Leiter der Untersuchungskommission des Thronfolgermordes in Sarajevo 1914, als der er einen gewissenhaften umfangreichen Bericht abgab, der erstens zu spät kam, zweitens zu kompliziert für die Öffentlichkeit und auch für die ausländischen Diplomaten, als dass er auf den Lauf der Dinge und den Kriegsausbruch Einfluss gehabt hätte. Sei es, als Karl Renner mit ihm in Verhandlungen trat, um ihm nach dem Rücktritt Otto Bauers die Leitung des Staatsamtes für Äußeres anzubieten. Da waren Wiesners Überlegungen zur Neuorganisation des Staatsamtes für Äußeres nach seinem besten Wissen und Gewissen, aber nicht von realpolitischen Überlegungen geprägt. Sei es auch in der legitimistischen Bewegung, die als solches zuerst vom Austrofaschismus und dann vom Nationalsozialismus überrollt wurde. Niemals gab Friedrich Wiesner seine Überzeugungen preis, an die er ehrlich glaubte und für die er sich einsetzte, um etwa politische Kompromisse zu schließen und pragmatisch gemäß der historischen Realität Vorteile zu gewinnen.
So ist es eine logische Konsequenz der Geschichte, dass er in ein KZ inhaftiert wurde. Das Bemühen seiner Gattin Julia um seine Freilassung wird aus den Gauakten Wiesner sichtbar, worin auch ein Brief Julias enthalten ist, der zeigt, wie die alte Dame den schnellen Wandel von Wertigkeiten nach dem Anschluss nicht versteht, wenn sie, die in ihrem ganzen Leben eine monarchistische Einstellung als lobenswert erlebte, dem nationalsozialistischen Generalstaatsanwalt dieses ihr monarchistisches Bemühen als Argument ihrer Rechtschaffenheit darbietet.
Die beiden alten Leute waren nach 1945 zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie noch öffentlich tätig gewesen wären. Julia starb 1949 und Friedrich 1951. Sie sind im Familiengrab am Grinzinger Friedhof in Wien begraben.
So werden anhand einer Lebensgeschichte die verschiedenen Epochen österreichischer Geschichte sichtbar und manifestiert sich das allgemeine historische Geschehen in dem einen Leben eines Mannes, der nicht in führender Position die Geschicke des Landes bestimmte aber auch nicht zur Masse des Volkes zu zählen ist, sondern in steten Bemühen immer versuchte, den Gang der Geschichte des Landes zu beeinflussen.