Abstract (deu)
Ich untersuche in meiner Diplomarbeit Foucaults Auseinandersetzung mit der Problematik der Moderne im zweiten Teil von Die Ordnung der Dinge (1966) sowie in “Was ist Kritik?” (1978) und “Was ist Aufklärung?” (1978) in Hinsicht auf seine Konzeption der historischen Kritik und Kants kritisches Projekt. Dabei möchte ich zeigen, (1) auf welche Weise Foucault seinen mehrmals revidierten und erweiterten historiographischen Ansatz in Bezug zur kantischen Kritik als wesentlicher historischer Determinante setzt, die er in ihrer möglichen Verbindung mit der philosophischen Anthropologie und Aufklärung erörtert, und (2) welche Bedeutung den Begriffen der Subjektivität und Autonomie innerhalb seiner verschiedenen methodischen Ansätze der historischen Kritik zukommt.
Ich konzentriere mich in der Erörterung von Archäologie, Genealogie und Problematisierung auf das Verhältnis von Subjektivität und Wahrheit. Foucaults Archäologie setzt sich vor allem mit der Frage nach der diskursiven Determination der Realität und der Normativität historischer Diskurspraktiken hinaus. Mit der Wende zur Genealogie fokussiert Foucault auf die Machtanalytik und die Frage nach der Diskurs- und Wahrheitsproduktion, in welcher sich seine These der Perspektivität von Erkenntnis widerspiegelt. Die Subjektivität beginnt mit der Untersuchung des Wandels des modernen Strafsystems, der minutiösen Praktiken der Normierung und der Geschichte von Machttechnologien im Sinne ihrer diskursiven Produktion thematisch zu werden.
Dabei erfasst Foucault das moderne Subjektivitätsdispositiv als unauflösbare Verschränkung von Autonomie und Macht. Dies führt in “Was ist Kritik?” zu einer expliziten Definition von Kritik als Haltung und Entunterwerfung, wodurch komplementär zu der durch Macht induzierten Subjektproduktion die Frage nach der autonomen Selbstkonstitution aufgeworfen wird. Foucault bringt die Haltung der Kritik in Verbindung mit Kants Auffassung der Aufklärung als Postulat der individuell zu vollziehenden Befreiung aus der eigenen Unmündigkeit vor dem Hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Indem Foucault die kantische Auffassung der Aufklärung im Sinne der Selbstkonstitution liest, ist es für ihn möglich, die Idee der Aufklärung einerseits von der Doktrin der Aufklärung loszulösen und andererseits genealogisch auf die antike Selbstsorge als Ensemble von Praktiken der ethischen Selbstführung zurückzubeziehen. Diese ist im Platonismus in die Konzeption der Selbstkonstitution als ein zirkuläres Verhältnis zwischen dem Zugang zur Wahrheit und der Selbsttransformation eingebettet. Foucault bringt damit die Idee der Aufklärung mit der Parrhesia in Verbindung bringen, in der sich das Subjekt in der freimütigen und riskanten Rede an die Wahrheit des eigenen Diskurses bindet und damit ethische und politische Effekte freigesetzt werden.
Die Parrhesia bildet den Hintergrund für Foucaults Konzeption des Ethos der Moderne in “Was ist Aufklärung?”, welchen er als Notwendigkeit der Selbstausarbeitung in Bezug auf die eigenen historischen Grenzen darstellt. Foucaults Betonung der Selbstkonstitution als Option, sich der Verschränkung von Macht und Rationalität zu widersetzen, möchte ich als Resultat seiner Historisierung von Erkenntnis aufweisen, die sich für ihn zugleich als notwendige Antwort auf die kantische Kritik zeigt – sowohl aufgrund ihrer historischen Ausnahmestellung für das moderne Denken als auch aufgrund ihrer historischen Konsequenzen.