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Title (deu)
Zur Entwicklung des Kritikbegriffs in Foucaults Werk in Hinblick auf dessen Auseinandersetzung mit der Problematik der Moderne
Author
Stefan Feiner
Adviser
Johann Schelkshorn
Assessor
Johann Schelkshorn
Abstract (deu)
Ich untersuche in meiner Diplomarbeit Foucaults Auseinandersetzung mit der Problematik der Moderne im zweiten Teil von Die Ordnung der Dinge (1966) sowie in “Was ist Kritik?” (1978) und “Was ist Aufklärung?” (1978) in Hinsicht auf seine Konzeption der historischen Kritik und Kants kritisches Projekt. Dabei möchte ich zeigen, (1) auf welche Weise Foucault seinen mehrmals revidierten und erweiterten historiographischen Ansatz in Bezug zur kantischen Kritik als wesentlicher historischer Determinante setzt, die er in ihrer möglichen Verbindung mit der philosophischen Anthropologie und Aufklärung erörtert, und (2) welche Bedeutung den Begriffen der Subjektivität und Autonomie innerhalb seiner verschiedenen methodischen Ansätze der historischen Kritik zukommt. Ich konzentriere mich in der Erörterung von Archäologie, Genealogie und Problematisierung auf das Verhältnis von Subjektivität und Wahrheit. Foucaults Archäologie setzt sich vor allem mit der Frage nach der diskursiven Determination der Realität und der Normativität historischer Diskurspraktiken hinaus. Mit der Wende zur Genealogie fokussiert Foucault auf die Machtanalytik und die Frage nach der Diskurs- und Wahrheitsproduktion, in welcher sich seine These der Perspektivität von Erkenntnis widerspiegelt. Die Subjektivität beginnt mit der Untersuchung des Wandels des modernen Strafsystems, der minutiösen Praktiken der Normierung und der Geschichte von Machttechnologien im Sinne ihrer diskursiven Produktion thematisch zu werden. Dabei erfasst Foucault das moderne Subjektivitätsdispositiv als unauflösbare Verschränkung von Autonomie und Macht. Dies führt in “Was ist Kritik?” zu einer expliziten Definition von Kritik als Haltung und Entunterwerfung, wodurch komplementär zu der durch Macht induzierten Subjektproduktion die Frage nach der autonomen Selbstkonstitution aufgeworfen wird. Foucault bringt die Haltung der Kritik in Verbindung mit Kants Auffassung der Aufklärung als Postulat der individuell zu vollziehenden Befreiung aus der eigenen Unmündigkeit vor dem Hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Indem Foucault die kantische Auffassung der Aufklärung im Sinne der Selbstkonstitution liest, ist es für ihn möglich, die Idee der Aufklärung einerseits von der Doktrin der Aufklärung loszulösen und andererseits genealogisch auf die antike Selbstsorge als Ensemble von Praktiken der ethischen Selbstführung zurückzubeziehen. Diese ist im Platonismus in die Konzeption der Selbstkonstitution als ein zirkuläres Verhältnis zwischen dem Zugang zur Wahrheit und der Selbsttransformation eingebettet. Foucault bringt damit die Idee der Aufklärung mit der Parrhesia in Verbindung bringen, in der sich das Subjekt in der freimütigen und riskanten Rede an die Wahrheit des eigenen Diskurses bindet und damit ethische und politische Effekte freigesetzt werden. Die Parrhesia bildet den Hintergrund für Foucaults Konzeption des Ethos der Moderne in “Was ist Aufklärung?”, welchen er als Notwendigkeit der Selbstausarbeitung in Bezug auf die eigenen historischen Grenzen darstellt. Foucaults Betonung der Selbstkonstitution als Option, sich der Verschränkung von Macht und Rationalität zu widersetzen, möchte ich als Resultat seiner Historisierung von Erkenntnis aufweisen, die sich für ihn zugleich als notwendige Antwort auf die kantische Kritik zeigt – sowohl aufgrund ihrer historischen Ausnahmestellung für das moderne Denken als auch aufgrund ihrer historischen Konsequenzen.
Abstract (eng)
In my thesis I interpret Foucault's approachments to modernity in the second part of The Order of Things (1966) and his well-known texts “What is Critique?” (1978) und “What is Enlightenment?” (1984) with respect to his own conception of historical critique and to Kant's critical project. My aim is (1) to display the modalities of Foucault's characterizations of his repeatedly revised historiographical standpoint in relation to Kant's notion of critique (with particular emphasis on the notion of autonomy) which he considers in its entanglement with anthropology and enlightenment as well as (2) to reflect in what ways Foucault's various methodologies of historical critique refer to the notions of subjectivity and autonomy. On this note, I focus on the relation between the concepts of subjectivity and truth in my discussion of his methodologies of archaeology, genealogy and problematization. Foucault's archaeology deals with issues such as the discursive determination of the non-discursive realm and the normativity of historical discursive practices. With the genealogical method new issues arise, specifically the analytic of power and the question of the production of discourses and truth, accompanied with a significant turn to the assumption of the perspectivism of knowledge. Simultaneously, the matter of the production of subjectivity emerges out of his studies of the transformation of the modern penal system, the minute procedures of normalization and the question of specific forms of power and their history. It is the intertwinement of power and autonomy that is crucial for Foucault's conception of present-day subjectivity and that leads to his explicit definition of critique as attitude and dissubjugation in “What is Critique?”. This marks Foucault's turn to ethics and the question of self-constitution. Foucault connects this notion of critique with Kant's understanding of enlightenment as self-induced liberation of immaturity against the background of an objective social development. For Foucault, the crucial point of the interpretation of Kant's concept of enlightenment as self-constitution is the possibility to uncouple the notion of enlightenment from the doctrine of the Enlightenment and to relate it genealogically back to the antique self-care and the concept of self-constitution as a circular relation between access to truth and self-transformation. It is this genealogy of the attitude of critique which allows Foucault to direct his conception of autonomy to the ethico-political performance of parrhesia as venturous truth-saying, in which the government of the self and the others are interlocked. This forms the background of Foucault's conception of the ethos of modernity in “What is Enlightenment?” as a plea for self-composition and transgression with regard to the own historical limits. What I want to show is how Foucault's insistence on self-care as means to oppose power-inscribed forms of rationality can be interpreted as a result of his historicization of reason which he sees as a necessary response to Kant's critical project due to its exceptional impact on modern thought as well as to its historical consequences.
Keywords (eng)
CritiqueEnlightenmentModernityFoucaultKantHistoricitySubjectivityEthos
Keywords (deu)
KritikAufklärungModerneFoucaultKantHistorizitätSubjektivitätEthos
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1287754
rdau:P60550 (deu)
89 S.
Number of pages
89
Members (1)
Title (deu)
Zur Entwicklung des Kritikbegriffs in Foucaults Werk in Hinblick auf dessen Auseinandersetzung mit der Problematik der Moderne
Author
Stefan Feiner
Abstract (deu)
Ich untersuche in meiner Diplomarbeit Foucaults Auseinandersetzung mit der Problematik der Moderne im zweiten Teil von Die Ordnung der Dinge (1966) sowie in “Was ist Kritik?” (1978) und “Was ist Aufklärung?” (1978) in Hinsicht auf seine Konzeption der historischen Kritik und Kants kritisches Projekt. Dabei möchte ich zeigen, (1) auf welche Weise Foucault seinen mehrmals revidierten und erweiterten historiographischen Ansatz in Bezug zur kantischen Kritik als wesentlicher historischer Determinante setzt, die er in ihrer möglichen Verbindung mit der philosophischen Anthropologie und Aufklärung erörtert, und (2) welche Bedeutung den Begriffen der Subjektivität und Autonomie innerhalb seiner verschiedenen methodischen Ansätze der historischen Kritik zukommt. Ich konzentriere mich in der Erörterung von Archäologie, Genealogie und Problematisierung auf das Verhältnis von Subjektivität und Wahrheit. Foucaults Archäologie setzt sich vor allem mit der Frage nach der diskursiven Determination der Realität und der Normativität historischer Diskurspraktiken hinaus. Mit der Wende zur Genealogie fokussiert Foucault auf die Machtanalytik und die Frage nach der Diskurs- und Wahrheitsproduktion, in welcher sich seine These der Perspektivität von Erkenntnis widerspiegelt. Die Subjektivität beginnt mit der Untersuchung des Wandels des modernen Strafsystems, der minutiösen Praktiken der Normierung und der Geschichte von Machttechnologien im Sinne ihrer diskursiven Produktion thematisch zu werden. Dabei erfasst Foucault das moderne Subjektivitätsdispositiv als unauflösbare Verschränkung von Autonomie und Macht. Dies führt in “Was ist Kritik?” zu einer expliziten Definition von Kritik als Haltung und Entunterwerfung, wodurch komplementär zu der durch Macht induzierten Subjektproduktion die Frage nach der autonomen Selbstkonstitution aufgeworfen wird. Foucault bringt die Haltung der Kritik in Verbindung mit Kants Auffassung der Aufklärung als Postulat der individuell zu vollziehenden Befreiung aus der eigenen Unmündigkeit vor dem Hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Indem Foucault die kantische Auffassung der Aufklärung im Sinne der Selbstkonstitution liest, ist es für ihn möglich, die Idee der Aufklärung einerseits von der Doktrin der Aufklärung loszulösen und andererseits genealogisch auf die antike Selbstsorge als Ensemble von Praktiken der ethischen Selbstführung zurückzubeziehen. Diese ist im Platonismus in die Konzeption der Selbstkonstitution als ein zirkuläres Verhältnis zwischen dem Zugang zur Wahrheit und der Selbsttransformation eingebettet. Foucault bringt damit die Idee der Aufklärung mit der Parrhesia in Verbindung bringen, in der sich das Subjekt in der freimütigen und riskanten Rede an die Wahrheit des eigenen Diskurses bindet und damit ethische und politische Effekte freigesetzt werden. Die Parrhesia bildet den Hintergrund für Foucaults Konzeption des Ethos der Moderne in “Was ist Aufklärung?”, welchen er als Notwendigkeit der Selbstausarbeitung in Bezug auf die eigenen historischen Grenzen darstellt. Foucaults Betonung der Selbstkonstitution als Option, sich der Verschränkung von Macht und Rationalität zu widersetzen, möchte ich als Resultat seiner Historisierung von Erkenntnis aufweisen, die sich für ihn zugleich als notwendige Antwort auf die kantische Kritik zeigt – sowohl aufgrund ihrer historischen Ausnahmestellung für das moderne Denken als auch aufgrund ihrer historischen Konsequenzen.
Abstract (eng)
In my thesis I interpret Foucault's approachments to modernity in the second part of The Order of Things (1966) and his well-known texts “What is Critique?” (1978) und “What is Enlightenment?” (1984) with respect to his own conception of historical critique and to Kant's critical project. My aim is (1) to display the modalities of Foucault's characterizations of his repeatedly revised historiographical standpoint in relation to Kant's notion of critique (with particular emphasis on the notion of autonomy) which he considers in its entanglement with anthropology and enlightenment as well as (2) to reflect in what ways Foucault's various methodologies of historical critique refer to the notions of subjectivity and autonomy. On this note, I focus on the relation between the concepts of subjectivity and truth in my discussion of his methodologies of archaeology, genealogy and problematization. Foucault's archaeology deals with issues such as the discursive determination of the non-discursive realm and the normativity of historical discursive practices. With the genealogical method new issues arise, specifically the analytic of power and the question of the production of discourses and truth, accompanied with a significant turn to the assumption of the perspectivism of knowledge. Simultaneously, the matter of the production of subjectivity emerges out of his studies of the transformation of the modern penal system, the minute procedures of normalization and the question of specific forms of power and their history. It is the intertwinement of power and autonomy that is crucial for Foucault's conception of present-day subjectivity and that leads to his explicit definition of critique as attitude and dissubjugation in “What is Critique?”. This marks Foucault's turn to ethics and the question of self-constitution. Foucault connects this notion of critique with Kant's understanding of enlightenment as self-induced liberation of immaturity against the background of an objective social development. For Foucault, the crucial point of the interpretation of Kant's concept of enlightenment as self-constitution is the possibility to uncouple the notion of enlightenment from the doctrine of the Enlightenment and to relate it genealogically back to the antique self-care and the concept of self-constitution as a circular relation between access to truth and self-transformation. It is this genealogy of the attitude of critique which allows Foucault to direct his conception of autonomy to the ethico-political performance of parrhesia as venturous truth-saying, in which the government of the self and the others are interlocked. This forms the background of Foucault's conception of the ethos of modernity in “What is Enlightenment?” as a plea for self-composition and transgression with regard to the own historical limits. What I want to show is how Foucault's insistence on self-care as means to oppose power-inscribed forms of rationality can be interpreted as a result of his historicization of reason which he sees as a necessary response to Kant's critical project due to its exceptional impact on modern thought as well as to its historical consequences.
Keywords (eng)
CritiqueEnlightenmentModernityFoucaultKantHistoricitySubjectivityEthos
Keywords (deu)
KritikAufklärungModerneFoucaultKantHistorizitätSubjektivitätEthos
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1287755
Number of pages
89