Abstract (deu)
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit befasst sich mit der Bedeutung von Kochen und
Essen für junge Flüchtlinge in Wien und Umgebung. Sie zeigt auf, welche Veränderungen der
Koch- und Esspraxis für die jungen Flüchtlinge in dem für sie neuen sozialen und kulturellen
Umfeld auftreten und wie damit umgegangen wird. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt
auf den verschiedenen sozialen Funktionen, die die Koch- und Esspraxis für die jungen
Flüchtlinge einnimmt. Diese Arbeit basiert auf der Analyse von qualitativen Interviews sowie
ethnographischer Datenerhebung mit teilnehmender Beobachtung, welche im gegebenen Feld
durchgeführt wurden. Das Forschungsfeld erschließt sich aus sieben Flüchtlingen aus
unterschiedlichen Nationen in Afrika und Asien im Alter von 17 bis 30 Jahre. Alle
InformantInnen dieser Arbeit sind innerhalb der vergangenen neun Jahre als Flüchtlinge nach
Österreich gekommen und haben hier Asyl beantragt.
Durch die Flucht und das damit einhergehende Eintreten in ein neues soziales und kulturelles
Umfeld kann die eigene Identität der Betroffenen in Frage gestellt werden. Für die
InformantInnen dieser Arbeit stellen Essgewohnheiten ein wichtiges identitätstiftendes
Instrument dar. Über die Esspraxis wird sowohl Zugehörigkeit als auch Abgrenzung zu
sozialen und ethnischen Gruppen kommuniziert. Bestimmte Speisen und Geschmäcker stehen
für die jungen Flüchtlinge in einem engen Zusammenhang mit Menschen, Orten und
Erlebnissen in ihrer Heimat. Das Kochen und Essen solcher Speisen wird von den
InformantInnen oft bewusst eingesetzt, um Erinnerungen an ihre Heimat aufleben zu lassen.
In der von Unsicherheit geprägten Zeit – bedingt durch die Fluchterfahrung und das Eintreten
in eine fremde Gesellschaft -, kann die Koch- und Esspraxis bei den jungen Flüchtlingen eine
Funktion einnehmen, die Struktur und Halt gibt. Als weitere soziale Funktionen habe ich in
dieser Arbeit die verbindenden Funktionen von Nahrung identifizieren können. Dadurch, dass
spezielle Speisen für die Flüchtlinge oft mit konkreten Personen in Verbindung gebracht
werden, kann durch das Kochen und Essen solcher Speisen die Verbindung zu Personen wie
beispielsweise der Mutter konstruiert und rekonstruiert werden. Verbindend wirkt Essen für
die jungen Flüchtlinge auch in Österreich, wenn sie bei der Teilnahme von interkulturellen
Kochprojekten über das gemeinsame Kochen und Essen Anschluss zur österreichischen
Mehrheitsgesellschaft finden können.