Abstract (deu)
Hintergrund
Essen ist ein komplexes Thema, welches von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist bei dem immer die Person selbst, das Lebensmittel und die Situation in der sich ein Mensch befindet, im Mittelpunkt steht. Die zentralen Fragen, warum wir anfangen und aufhören zu essen und warum wir wieviel essen, sind von großem Interesse für die individuelle Gesundheit. Vor allem in Hinblick auf die ansteigende Prävalenz von Übergewichtigen in einem nationalen und internationalen Kontext spielt die Beantwortung dieser Fragen eine wichtige Rolle. Der menschliche Organismus hat zwei Systeme entwickelt, die miteinander interagieren und somit die Nahrungsaufnahme regulieren. Zum einen ein homöostatisches Kontrollsystem, das den metabolischen Zustand über zentral und peripher wirkende Signale steuert und somit einen metabolischen Impuls zur Nahrungsaufnahme geben kann. Zum anderen essen Menschen auch, wenn weder die metabolische Notwendigkeit, noch das subjektive Hungergefühl vorhanden sind. Dabei werden andere Motive bedient, die nicht einer Nährstoffaufnahme dienen, sondern vielmehr Belohnungsmechanismen oder andere Vorgänge in Gang setzen, die oftmals außerhalb unserer Wahrnehmung liegen. Hierbei haben Konditionierungs-, kognitive und Erinerungsmechanismen einen beachtlichen Einfluss auf individuelles Essverhalten. Das bildliche Vorstellungsvermögen (mental imagery) wird als eine Form von Erinnerung diskutiert. Menschen haben die Fähigkeit, bewusst Bilder für unterschiedliche Zwecke zu erzeugen - dieses Phänomen wurde in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen untersucht. Vorstellungsübungen werden in den Sportwissenschaften (Verbesserung von motorischen Fähigkeiten), als auch in Therapieformen der Psychologie (Verhaltenstherapie) als Methode angewandt. Die Frage, ob die bildliche Vorstellung von Essen einen Einfluss auf darauffolgendes Essverhalten hat, wurde in dieser Arbeit untersucht.
Methoden
Im durchgeführten Experiment wurden TeilnehmerInnen zu einem sensorischen Test mit Gummibärchen eingeladen, wobei die Menge der während der Überprüfung verzehrten Gummibärchen ermittelt wurde. Des Weiteren wurde das subjektive Hunger- und Sättigungsgefühl ermittelt und Fragebögen über gezügeltes Essverhalten, Klarheit und Verwendung von bildlichen Vorstellungen der 95 Teilnehmer abgefragt. TeilnehmerInnen wurden per Zufallsprinzip einer der vier Interventionsgruppen zugeordnet, die jeweils unterschiedliche Vorstellungsübungen vor der sensorischen Prüfung durchführen mussten. Dabei stellten sich TeilnehmerInnen in den ersten beiden Gruppen, jeweils mit unterschiedlichen Wiederholungen, vor, Gummibärchen zu verzehren (18 bzw. 36 Wiederholungen). Die beiden anderen Gruppen dienten als Kontrollgruppe, bei der sich die TeilnehmerInnen vorstellten eine 50 ¢-Münze mit der entsprechender Anzahl an Wiederholungen in einen Waschautomaten zu stecken.
Ergebnisse
Alle TeilnehmerInnen, die sich vor der sensorischen Prüfung vorgestellt hatten Gummibärchen zu verzehren, verzehrten während der sensorischen Prüfung im Vergleich zu TeilnehmerInnen in den Kontrollgruppen signifikant weniger Gummibärchen (p = 0,004). Ebenfalls signifikant war der Unterschied zwischen den Gruppen mit 36 Wiederholungen (p = 0,015). Zusätzlich zur Intervention wurde herausgefunden, dass die Beliebtheit der Gummibärchen die Menge der verzehrten Gummibärchen vorhersagen kann. Der Rückgang des Hungergefühls und der Anstieg des Sättigungsgefühls nach der sensorischen Prüfung hat sich zwischen allen TeilnehmerInnen, die sich vorgestellt hatten Gummibärchen zu verzehren, im Vergleich zu den Kontrollgruppen nicht unterschieden.
Fazit
Es wurde demonstriert, dass in einer Laborumgebung allein die Vorstellung eine gewisse Anzahl an Gummibärchen zu essen, den darauffolgenden Verzehr von Gummibärchen bei einer sensorischen Prüfung verringern kann. Offenbar geschieht diese Verringerung der Verzehrmenge außerhalb unseres Wahrnehmungsbereichs und ist unabhängig von unseren Erwartungen über den Einfluss der Vorstellungsübung. Am Beispiel von mental imagery wurde demonstriert, dass die Frage, wieviel wir essen, durchaus von nichthomöostatischen Mechanismen abhängen kann.