Abstract (deu)
Wenn junge ForscherInnen in den Lebenswissenschaften von ihrem Leben und Arbeiten sprechen, erzählen sie auch von einer Reihe an miteinander verwobener Unsicherheitserfahrungen. In ihren epistemischen Lebenswelten verbinden sich Unvorhersehbarkeiten in Forschungsprozessen mit einer hohen Motivation unter Bedingungen flexibler Arbeitsverhältnisse, spezifischer Karrieremodelle und sich verändernder, teils uneindeutiger Erwartungshaltungen. Diese Dissertation analysiert solche Unsicherheitserfahrungen in akademischen Kontexten und beleuchtet dabei Artikulationslinien zwischen ihnen und breiteren gesellschaftlichen Bedingungen und Veränderungstendenzen.
Ausgehend von vorwiegend qualitativem empirischem Material (Interviews und Gruppendiskussionen) folgt diese Arbeit einem sehr breiten Begriff von Unsicherheit, der verschiedene Formen von Unvorhersehbarkeiten, Uneindeutigkeiten, Abhängigkeiten und Spannungsverhältnissen umfasst. Unter diesen Vorzeichen werden Unsicherheitserfahrungen junger LebenswissenschaftlerInnen als eine Form der Prekarität („embodied anxiety“) gefasst: einer generalisierten Erfahrung von Unsicherheit, welche ForscherInnen nicht ursächlich auf einen einzigen Umstand zurückführen, sondern welche sie als Folge einer Konvergenz von Bedingungen empistemischer Unsicherheit und subjektivierter Tätigkeit mit bestimmten strukturellen Bedingungen beschreiben. In diesem Kontext neigen epistemische und andere Unsicherheiten dazu, in einem existenziellen, verallgemeinerten Unbehagen oder einer verallgemeinerten Angst zu kulminieren, die hier als „embodied anxiety“ konzeptualisiert wird.
Die Analyse der Wege, mit denen junge ForscherInnen individuell und als Teil ihrer sozialen Zusammenhänge mit „embodied anxiety“ umgehen, zeigt, wie sie dadurch bestimmte Freiräume finden, sich eröffnen und gestalten. In diesem Sinne erarbeiten sich junge WissenschaftlerInnen den Rahmen alltäglicher Entscheidungs- und Handlungsspielräume teilweise selbst und tragen so zu einer Transformation ihrer Forschungskulturen bei. Weiters wird reflektiert, dass das Leben, Arbeiten und Umgehen mit generalisierten Unsicherheitserfahrungen auf implizitem Wissen und impliziten Fähigkeiten beruht und daher als verkörpert verstanden werden muss. Die Art und Weise, wie junge WissenschaftlerInnen lernen in akademischen Kontexten zur Veränderung von Arbeitskulturen beizutragen, wirft Fragen für die Gestaltung gegenwärtiger Wissensgesellschaften und -ökonomien auf.