Abstract (deu)
Angeborene Verhaltensweisen beruhen auf genetisch determinierten Verschaltungen im Nervensystem. Das bemerkenswerteste angeborene Verhaltensmuster von Drosophila melanogaster ist das Balzverhalten. Während der Balz verarbeiten männliche Fliegen vielfache sensorische Reize von weiblichen Fliegen. Wie kann das stereotyp verschaltete Nervensystem diese Reize wahrnehmen und prozessieren um darauf beruhend Entscheidungen über das Balzverhalten zu treffen?
Laut einem gängigen Modell bilden Neurone, die fruitless exprimieren (fru+ Neurone) einen spezifischen Schaltkreis für das Balzverhalten, dass für dieses unabkömmlich ist. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Bestandteile dieses neuronalen Schaltkreises anatomisch und funktional zu charakterisieren. Um ausgewählte fru+ Neurone zu manipulieren, wurde ein FLP-in System und eine neuartige Bibliothek von GAL4 Linien (VT Linien) verwendet und ein anatomischer Screen durchgeführt. Im Vergleich zu Enhancer Trap GAL4 Linien exprimieren VT Linien in kleineren Teilmengen der fru+ Neurone, was es möglich machte, verschiedene Klassen von fru+ Neuronen zu beschreiben und sie in den Schaltplan für das Balzverhalten einzufügen.
Für eine funktionelle Charakterisierung der fru+ Neurone wurden neuronale Aktivierungsscreens durchgeführt. Auf diese Weise wurden vier verschiedene Klassen von fru+ Neuronen identifiziert, die bei Aktivierung Balzgesang evozieren (P1, pIP10, dPR1 und vPR6) sowie die neuronale Klasse vMS11, die bei thermischer Aktivierung einseitige Flügelbewegung hervorruft. Die Inaktivierung dieser Neurone vermindert die Produktion von Balzgesang. Des Weiteren wurden sechs neuronale Klassen gefunden, die bei Aktivierung eine Krümmung des Abdomen induzieren (dAB4, dAB5, dAB8, dMT3, vAB2 und dAB7). Die Inaktivierung von dAB4 oder dAB5 hat keinen Einfluss auf die Intensität des Balzverhaltens, verhindert aber die Kopulation. Das weist darauf hin, dass dAB4 und dAB5 spezifisch für das Kopulationsverhalten benötigt werden.
Um fru+ Neurone ausfindig zu machen, die die Balzmotivation steuern, wurde ein thermischer Aktivierungsscreen in der Anwesenheit einer zweiten, als Balzobjekt dienenden männlichen Fliege durchgeführt. In diesem Screen wurden die neuronalen Klassen P1 und LAN1 gefunden, von denen bereits zuvor bekannt war, dass ihre Aktivierung an ein Männchen gerichtetes Balzverhalten hervorrufen kann. Zusätzlich wurden zwei Unterklassen von P1 (pMP4 und pMP4_1) und 4 andere Klassen von fru+ Neuronen (aSP2, pIP6, aSP21, aSP4) identifiziert, die an ein Männchen gerichtetes Balzverhalten auslösen, wenn sie aktiviert werden. Die Inaktivierung von P1 und aSP2 vermindern das Balzverhalten dramatisch, wohingegen die Inaktivierung der anderen neuronalen Klassen nur einen geringen oder keinen messbaren Einfluss auf das Balzverhalten hat. P1 und aSP2 sind Kandidaten für Sensorische Integration, die für das Balzverhalten benötigt werden. Die großen Überlappungsbereiche der Arborisierungen dieser Neurone im Hirn legt es nahe, dass sie miteinander verbunden sind und deutet darauf hin, dass sie möglicherweise sensorische Reize verarbeiten und integrieren.
In der vorliegenden Arbeit wurde ein verfeinerter und detaillierter anatomischer Schaltplan der fru+ Neuronen erstellt und Neurone identifiziert, die eine funktionelle Rolle für den Balzgesang, das Kopulationsverhalten und die Balzmotivation spielen.