Abstract (deu)
In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, welche Resonanz die Verwahrlosung der Kinder (besprizornost') in den Jahren 1917-1930 in der Literatur der Sowjetunion fand. Zunächst wird gezeigt, mit welchen Methoden die Bol'ševiken versuchten, die große Anzahl der besprizorniki in vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu verwandeln.
Anhand zweier Werke dieser Zeit, Respublika Škid von G. Belych und L. Panteleev und Deti ulicy von A. Jablonovskij, wird die Verarbeitung der besprizornost' in der Literatur präsentiert. Da es sich beim ersteren um ein Werk der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) handelt, wird die sich wandelnde Rolle der KJL in der Sowjetunion von 1917-1935 hervorgehoben. Darüber hinaus wird in der vorliegenden Arbeit gezeigt, dass das Thema der besprizornost' auch in die KJL Eingang fand, weil die „Umerziehung“ der verwahrlosten Kinder als Mittel der sowjetischen Ideologie eingesetzt wurde.
Die Untersuchung der literarischen Bedeutung von Respublika Škid als Werk der KJL zeigt, dass eine sogenannte Akkomodation an Kinder- und Jugendliche erfolgt ist, welche Respublika Škid zu einem jugendgemäßen Werk macht. Jedoch ist dem entgegenzuhalten, dass die besprizornost' in Respublika Škid romantisiert dargestellt wurde. Die jahrzehntelange Repression des Werkes und seiner Autoren verdeutlicht daher, wie auch die Werte der KJL einer Veränderung unterworfen waren.
Deti ulicy erschien 1928 außerhalb der Sowjetunion und zählt demgemäß nicht zur sowjetischen Literatur. Die Darstellung der besprizornost' fällt in diesem Sinne ohne jegliche Romantisierung des Problems aus und zeigt das brutale Leben von besprizorniki im vorrevolutionären Kiev. Im Hinblick auf diese Erkenntnisse kann eine vereinheitlichte Darstellung der Kinderverwahrlosung ausgeschlossen werden.