Abstract (deu)
Die 'Schwedische Israelmission' (Svenska Israelsmissionen, SIM) widmete sich ab 1921 in
Wien der Bekehrung von Jüdinnen und Juden zum Christentum, leistete diesen Verfolgten zur
Zeit der NS-Herrschaft umfangreiche soziale sowie seelsorgerische Hilfe und ermöglichte
rund 1.500, meist getauften 'Nicht-ArierInnen' die Flucht aus Österreich. Rund 300 dieser
Flüchtlinge – überwiegend Kinder und Jugendliche – gelangten nach Schweden, und stellten
somit über ein Viertel des dortigen österreichischen Exils. Doch obwohl die Hilfsaktionen von
SIM einen wichtigen Abschnitt der österreichisch-schwedischen Wechselbeziehungen im 20.
Jahrhundert darstellen, wurden sie bislang in der Forschung nur oberflächlich thematisiert.
Mit Hilfe von bisher unbenutzten archivalischen Quellen werden daher zunächst im ersten
und zweiten Teil der Arbeit die Hilfstätigkeit und insbesondere die Kindertransporte von SIM
einer wissenschaftlich-kritischen Prüfung unterzogen. Der dritte Abschnitt ist einer
Untersuchung der Lebensumstände, der oftmals tief reichenden seelischen Konflikte sowie
der Veränderungen in den sozialen, religiösen und nationalen Identitätsdispositionen der
jungen Flüchtlinge in Schweden gewidmet. Hier wird mangels anderen zugänglichen
Quellmaterials im speziellen auf autobiographisch-literarische Zeugnisse sowie vereinzelte
Zeitzeugeninterviews zurückgegriffen. Schließlich werden die Ergebnisse der Arbeit mithilfe
eines diskursanalytischen Zugangs mit dem sich in den letzten Jahren verstärkenden
(populär-)wissenschaftlichen und literarischen Diskurs zu diesem Problemfeld abgeglichen.
Hierbei stellt sich heraus, dass viele der von meist schwedischen JournalistInnen
vorgebrachten Angriffspunkte gegenüber SIM einer wissenschaftlichen Prüfung nicht
standhalten, gleichzeitig jedoch auch die Haltung der historischen und theologischen
Forschung zur Mission bislang zu unkritisch war. Somit soll diese Arbeit nicht nur die
Voraussetzungen für weitere Forschungen zu den österreichisch-schwedischen
Wechselbeziehungen auf sozialem und literarischem Gebiet in den Jahren der NS-Herrschaft
schaffen, sondern auch zu einem gesteigerten Verständnis von Selbstverortung und
psychischen Belastungen in Bezug auf aktuelle Migrationsbewegungen beitragen.