Abstract (deu)
Die Frage, was man über das Alltagsleben im Wien des frühen 18. Jahrhunderts wissen könnte, wenn man nur das Wienerische Diarium als Quelle zur Verfügung hätte, stand am Anfang der vorliegenden Arbeit. Nach einem ernüchternden ersten Befund gibt die älteste Tageszeitung der Welt bei näherer Betrachtung doch eine Fülle von Informationen preis.
Anhand der Inlands-Berichterstattung, die in dieser Form im Wienerischen Diarium eine Novität war, der umfangreichen Personen-Listen mit den Namen, Berufen und Familienverhältnissen der Verstorbenen und mittels der mit den Jahren immer zahlreicher werdenden Inserate lässt sich eine Vielzahl an Aussagen über das Alltagsleben treffen.
So geben die unzähligen in den Personen-Listen verzeichneten Berufe Auskunft über die Mannigfaltigkeit des Gewerbelebens und über die große Masse der dienstbaren Geister. Die Inserate lassen einen Blick auf das umfangreiche Warenangebot in der Stadt zu und die Berichte schildern nicht nur eindringlich, welche immense Bedeutung der Kaiserhof für die Stadt hatte, sondern auch welch bedeutenden Stellenwert die Religion und die katholische Kirche und mit ihnen die speziellen Ausprägungen der Barockfrömmigkeit einnahmen. Daneben lässt das Diarium aber auch Rückschlüsse auf die Kriminalität und das Verkehrsaufkommen, auf die medizinische Versorgung und das Freizeitverhalten zu.
Die meisten Informationen, die im Wienerischen Diarium reichhaltig vorhanden sind, sind aber nicht auf den ersten Blick zugänglich, sondern erschließen sich erst bei genauerer Betrachtung. So lässt beispielsweise die Schilderung eines Feuers, das jenseits der Donau in einer weit entfernten Ortschaft ausgebrochen und in Wien sichtbar war, einen Rückschluss auf die uns heute kaum mehr vorstellbare Dunkelheit in der Stadt zu.
Insgesamt gewährt das Wienerische Diarium vor allem durch seine Unmittelbarkeit, es war ja für den täglichen Gebrauch der Menschen des 18. Jahrhunderts und nicht für die Überlieferung an künftige Generationen gedacht, einen lebhaften und spannenden Blick auf eine vergangene Welt.