Abstract (deu)
Obwohl nicht im Besitz von „Übersee-Kolonien“, spielte Österreich-Ungarn durch politische Allianzen, aber auch mittels protokolonialer Aktivitäten wie Missionstätigkeit oder wissenschaftlicher Expeditionen eine wichtige Rolle im Rahmen des europäischen Kolonialismus. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entstanden zunehmend expansionistische Konzepte. Während die staatliche Politik ihren Fokus auf Südosteuropa legte, versuchte eine kleine Gruppe von Kolonialpropagandisten die Monarchie stärker hin zu einer Kolonialpolitik jenseits ihrer traditionellen Einflussgebiete zu lenken. Sie knüpften dabei an vorangegangen koloniale und protokoloniale Aktivitäten an und publizierten zahlreiche Bücher und Broschüren über Migration, „Überbevölkerung“ oder Österreich-Ungarns Status als Großmacht. Die meisten dieser Autoren waren Mitglieder der Österreichisch-Ungarischen Kolonialgesellschaft. Diese war 1894 mit der Absicht gegründet worden, eine breitere Diskussion über die koloniale Frage und damit verbundene Themen zu initiieren. Dies versuchte man nicht nur mittels der Publikationen, sondern auch durch die Übermittlung von Denkschriften und Eingaben an Ministerien, sowie durch das Engagement der Kolonialgesellschaft als Lobbyorganisation für EmigrantInnen. Mit dem Ende der Monarchie löste sich die Österreichisch-Ungarische Kolonialgesellschaft auf. Einige ihrer Autoren passten ihre Vorstellungen an die neuen Gegebenheiten an, setzten ihre Arbeit fort und trugen zur Entwicklung reaktionärer Konzepte bei, die das politische Klima zwischen den Weltkriegen prägen sollten.
Die Dissertation untersucht die Aktivitäten der Kolonialgesellschaft und Publikationen, die im Umfeld der Kolonialgesellschaft entstanden sind. Die Argumentation der Autoren wird textanalytisch herausgearbeitet und in die politische und gesellschaftliche Entwicklung während der letzten Jahrzehnten der Monarchie eingeordnet sowie in Beziehung gesetzt zu den vielfältigen protokolonialen Aktivitäten dieser Zeit.