Abstract (deu)
Dezentralisierung in Entwicklungsländern ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem politischen Paradigma geworden. Wissenschaftler und an der praktischen Umsetzung von Dezentralisierungsmaßnahmen beteiligte Personen behaupten, dass Dezentralisierung u.a. zu einer verbesserten Responsivität, gesteigerten Partizipationsmöglichkeiten für BürgerInnen und effektiveren Rechenschaftsstrukturen zwischen Politik und Gesellschaft führt. Es wird davon ausgegangen, dass durch die räumliche Nähe von Politik und Gesellschaft, lokale Regierungen effizienter auf die Bedürfnisse ihrer BürgerInnen eingehen können, mitunter weil letzteren eine erhöhte politische Teilhabe widerfährt. So können BürgerInnen auf direkterem Wege Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, die maßgeblich ihr Wohlergehen betreffen.
In Sambia gehört der sog. Constituency Development Fund (CDF) zu den (heute) finanziell am stärksten unterstützten Dezentralisierungsmaßnahmen. Der CDF entsprach einer politischen Maßnahme zur Finanzierung von Kleinprojekte, welche der galoppierenden Armut auf lokaler Ebene Einhalt gebieten sollte. Er wurde in den 1990er Jahren u.a. auf Drängen lokaler Abgeordneter eingeführt und wegen mangelnder finanzieller Ressourcen lokaler Regierungen, die nicht im Stande waren adäquate öffentliche Dienstleistungen zu erbringen. In den ersten zehn Jahren wurde dem CDF kaum Aufmerksamkeit zu teil, was mit seiner anfänglichen geringen Finanzleistung zu tun hatte. Doch seit 2006 hat die Zentralregierung ihre finanziellen Zuwendungen stetig erhöht, sodass heute jede der 150 Wahlbezirke in Sambia 200.000 US-Dollar im Jahr erhält. Somit wurde der CDF zu einer Haupteinnahmequellen zahlreicher Lokalregierungen in Sambia und erregte immer mehr die Aufmerksamkeit der BürgerInnen. Umso aufmerksamer diese wurden, desto mehr Missmanagement, Missbrauch und Korruption kamen in der Verwaltung und Umsetzung der Projekte ans Tageslicht und Fragen nach dezentraler Governance wurden immer lauter. Diese Arbeit diskutiert die beobachteten Missstände und zeigt ihre Gründe auf. Theoretisch ist die Arbeit in die zwei hier miteinander verbundenen Konzepte der Dezentralisierung und lokaler Governance eingebettet. Mit Hilfe zahlreicher Interviews mit sambischen Lokalpolitikern , NGOs, BürgerInnen und weitere an der Umsetzund und Verwaltung beteiligten Personen wurden folgende Ergebnisse erzielt. Einerseits liegt dem CDF ein sehr schwaches Regelsystem zugrunde, welches intransparente Prozesse, BürgerInnen-Ausschluss und Kontrolldefizite begünstigen/verursachen. Andererseits tragen politische Interessen, eine wenig informierte Zivilgesellschaft mit geringen Kapazitäten, und das Ignorieren bestehender Regelsysteme zu einem Governance-Defizit bei.
Diese Arbeit liefert empirische Beweise für den Diskurs über Dezentralisierung, dass Maßnahmen dieser Richtung mit äußerster Sorgfalt umgesetzt werden müssen, damit dezentralisierte politische und administrative Systeme Früchte tragen und BürgerInnen auf lokaler Ebene tatsächliche von ihnen profitieren können.