Abstract (deu)
Der durch eine Forschungsgrabung in den Jahren 2000-2002 ausschnittsweise untersuchte Fundplatz Steyregg-Windegg wurde im Mittelneolithikum sowie in der Zeit der Münchshöfener Kultur, der Chamer Kultur und der Urnenfelderkultur zu Siedlungszwecken genutzt.
Das mittelneolithische Fundmaterial – in dieser Arbeit in Katalogform vorgelegt, aber nicht systematisch ausgewertet – stammt größtenteils aus der Verfüllung einer großen Lehmentnahmegrube und wird wichtige Aussagen zum Zusammenspiel und zur Relativchronologie östlicher und westlicher Kulturerscheinungen liefern, da es sowohl Keramik der Lengyel-Kultur (MOG IIa) als auch Keramik des Südostbayrischen Mittelneolithikums umfasst. Überdies wurden im selben Grubenkomplex auch Fragmente gefunden, die stilistisch bereits zu einer „Initialphase“ der Münchshöfener Kultur überleiten könnten. Sie werfen möglicherweise ein seltenes Schlaglicht auf die Entstehung dieser Kultur, deren Anwesenheit in Steyregg-Windegg durch einige (mutmaßlich jüngere) furchenstichverzierte Keramikbruchstücke mit Streufundcharakter auch eindeutig nachgewiesen ist.
Die Siedlung des frühen Endneolithikums von Steyregg-Windegg, auf die sich die vorliegende Arbeit konzentriert, ist hingegen vor allem aufgrund des ehemaligen Begehungsniveaus interessant, das sich relativ großflächig erhalten hat und in der Befundqualität innerhalb der Chamer Kultur bislang nur in Dietfurt an der Altmühl eine Parallele findet. Es ist anzunehmen, dass Strukturen, die sowohl in Dietfurt als auch in Windegg entdeckt wurden, in vielen anderen Chamer Siedlungen nur erosionsbedingt nicht vorhanden sind. So existieren beispielsweise flache, vermutlich nicht intentionell angelegte Gruben und rechteckige Steinpflaster mit Lehmplattenresten, die als Unterbau von Feuerstellen, vielleicht von Kuppelöfen, anzusprechen sind. Für Gedankenspiele zur Beschaffenheit der Häuser müssen jedoch Indizien von anderen Fundstellen herangezogen werden, da die wenigen Pfostengruben von Steyregg-Windegg keine klaren Grundrisse erkennen lassen. Die systematische Zusammenstellung von Hüttenlehmfunden zeigt hierbei, dass in der Chamer Kultur besonders häufig parallele Rundholzabdrücke mit einem Durchmesser von 3-7 cm aufgefunden werden, die am ehesten zu horizontal aufgeschichteten, an senkrechten Hölzern befestigten Prügelwänden gehören könnten, oder eventuell zu senkrechten Stangenwänden. Beide Konstruktionsweisen lassen sich zeitgenössisch auch in der Goldberg III-Gruppe wiederfinden, was als vorsichtige Unterstützung für die Theorie von Th. Gohlisch gewertet werden kann, wonach in Dietfurt – und analog dazu auch in Windegg – vielleicht am ehesten mit kleinen rechteckigen Häusern mit zentraler Feuerstelle zu rechnen wäre, wie sie aus manchen Feuchtbodensiedlungen des Federseegebiets bekannt sind.
Beim Versuch, die Befunde von Steyregg-Windegg in dieses hypothetische Modell einzufügen, zeigt sich für den Nordteil der Grabungsfläche ein in sich stimmiges Gesamtbild mit zwei schräg versetzt nebeneinander angeordneten Häusern, wobei sich im südlichen Bereich des einen dieser Häuser eine Aktivitätszone befindet, die durch liegengebliebene Steinwerkzeuge und erodierte Keramik gekennzeichnet ist. Vermutlich außerhalb der Gebäude liegen mögliche Abfallzonen mit scharfkantigen Silexresten. Der Südteil der Grabungsfläche entzieht sich hingegen einer sinnvollen Rekonstruktion, was vielleicht auf eine Mehrphasigkeit desselben und auf einen früheren Beginn der Bautätigkeit hinweisen könnte. Als in diesem Bereich bereits gewohnt wurde, hätten sich knapp nördlich davon möglicherweise nur einige flache Gruben sowie ein ovaler Erdkeller befunden, die im Zuge der Vergrößerung des Dorfes wenig später verfüllt und überbaut wurden.
Umfang und Beschaffenheit des endneolithischen Fundspektrums – es sind darin unter anderem auffallend viele unbeschädigte Steinbeilklingen und einige Scherbenlagen enthalten – weisen außerdem darauf hin, dass die Siedlung insgesamt wohl nur einige Jahre Bestand hatte und höchstwahrscheinlich abgebrannt ist. Danach dürften allerdings zumindest noch Aufräumarbeiten durchgeführt worden sein, wie sich etwa aufgrund der Entdeckung eines Dolchmessers mit verkohltem Holzgriff in einer Pfostengrube vermuten lässt.
In topografischer Hinsicht zeigt sich für die Fundstellen der Chamer Kultur in Oberösterreich ein mit der Jevišovice-Kultur in Niederösterreich und der Chamer Kultur im bayrischen Donautal vergleichbares Bild mit seltenen Flachlandsiedlungen sowie einer Vorliebe für eben zugängliche, wohl meistens durch Grabenanlagen befestigte Geländezungen. Steyregg-Windegg fällt hier insofern etwas aus dem Rahmen, als der Geländesporn mit der Fundstelle durch die Lage am Hang von oben einsehbar ist. Vielleicht waren in diesem Fall bei der Auswahl des Siedlungsplatzes die Nähe zu gutem Ackerland und die Position knapp über dem Donautal wichtiger als die Suche nach einer verteidigungstechnisch günstigeren Lage.
Bei der Analyse des Fundmaterials von Steyregg-Windegg war vor allem der Vergleich mit der Keramik der nur wenige Kilometer entfernten Siedlung Steyregg-Pulgarn von Interesse, der eine unabhängige Diskussion und Kontrolle verschiedener relativchronologischer Systeme ermöglichte. Beide Fundstellen sind in typologischer Hinsicht eindeutig der Chamer Kultur zuzuweisen, wobei die kombinatorische Betrachtung zeigt, dass Windegg in die ältere Chamer Kultur nach I. Burger beziehungsweise in die Inventargruppe A nach I. Matuschik datiert – die Existenz dieser Phase ist damit erstmals auch außerhalb der bayrischen Donauregion nachgewiesen. Die Siedlung von Pulgarn dürfte demgegenüber am ehesten einer mittleren Entwicklungsstufe der Chamer Kultur angehören, kann aber nicht eindeutig in das Schema von Matuschik eingeordnet werden. Dies lässt zumindest für den oberösterreichischen Zentralraum die Anwendbarkeit seiner Unterteilung in Inventargruppe B und C als unsicher erscheinen, könnte unter Umständen aber auch auf allgemeine Probleme mit der Inventargruppe B oder mit der Fundstelle Piesenkofen zurückgehen. In absoluten Jahren dürfte die typologische Datierung von Windegg und Pulgarn am ehesten dem 31./30. beziehungsweise dem späten 30./29. Jahrhundert v. Chr entsprechen.
Eine spannende Beobachtung ist des Weiteren, dass sowohl in Windegg als auch in Pulgarn neben einzelnen Bezügen zur Jevišovice-Kultur auch Keramik der späten Badener Kultur vorhanden ist, die in der Machart teilweise lokale Züge zeigt, teilweise aber auch fremdartig und außerordentlich gut verarbeitet wirkt. Dies könnte einen Hinweis auf direkte oder indirekte Kontakte, vielleicht auch auf den Transfer von Personen geben. Außerdem ermöglicht die Vorlage von Windegg eine etwas bessere Beurteilung der von E. Ruttkay aufgrund von Radiokarbondaten aufgestellten Hypothese, wonach am Mond- und Attersee mit der Anwesenheit der frühen Chamer Kultur zu rechnen wäre: Es ist festzustellen, dass diese Vermutung mit dem derzeit bekannten Fundmaterial nicht sicher beweisbar ist und die betreffende Besiedlungsphase beispielsweise auch zu einem späten Horizont der Mondsee-Gruppe gehören könnte. Ähnlich unklar ist im Übrigen auch die kulturelle Zuweisung von leistenverzierter Keramik aus Höhensiedlungen der Mondsee-Gruppe.
Außer der Keramik wurden vom endneolithischen Fundmaterial von Steyregg-Windegg auch die Steinbeile vollständig aufgenommen, wobei sich im metrischen Vergleich mit jungneolithischen Exemplaren eine Tendenz in Richtung geraderer Schneiden und etwas rechteckigerer Grundformen erkennen lässt. Besonders interessant sind dabei der ähnliche Querschnitt mancher Stücke, der eventuell auf die Nutzung derselben Schäftung hinweisen könnte, sowie ein Beil aus Sillimanit, einem Rohstoff, der bislang vor allem aus der Jevišovice-Kultur bekannt war. Von den Silexfunden – die wie in Pulgarn ausschließlich aus lokalem Material bestehen – sticht vor allem ein Hornsteinmesser mit Resten des zugehörigen Eichenholzgriffes ins Auge.
Zusätzlich zu den neolithischen Befunden wurden in Steyregg-Windegg auch noch eine urnenfelderzeitliche Grube sowie ein neuzeitlicher Sammelbrunnen dokumentiert.