Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit untersucht formale Eigenheiten spätbabylonischer Privatbriefe aus Mesopotamien aus dem sogenannten „langen 6. Jahrhundert“ v.d.Zw. in Hinblick auf strukturierende und stilistische Elemente, die Aufschluss zu Ausdrucksmöglichkeiten für den angemessenen Umgang miteinander, Höflichkeit und Überzeugungs- beziehungsweise Überredungsstrategien geben. Außerdem wird versucht, verschiedene sprachliche Elemente in Bezug auf Betonung und Zweck des Schreibens einzuordnen.
Hierzu werden zunächst die Briefeinleitung und der Briefkörper grundlegend untersucht, d.h. Adress-, Gruß- und Segensformeln sowie die unterschiedlichen Formen der Anrede, als Titel und im Verlauf des Briefes, analysiert. Dabei dient die Hypothese, dass sprachliche Direktheit und Indirektheit Aufschluss zu Höflichkeit und damit zum Verhältnis der beteiligten Personen zueinander geben können, als Basis. Daneben werden spezifische Briefteile untersucht sowie die verschiedenen Optionen, diese einzuleiten, um funktionsspezifische Aussagen zu verschiedenen Struktur- und Stilmitteln treffen zu können. Dabei zeigt sich ein vorgeprägter Verhaltenskodex von unterschiedlich zueinander stehenden Personen, der jedoch der privaten Natur des Verhältnisses und der dementsprechenden Vielfältigkeit der Beziehungen unterliegt und je nach persönlicher Beziehung modifiziert werden kann.
Einzelnen strukturierenden und gestaltenden Elementen werden spezifische Funktionen zugewiesen, was auf Nuancen in Privatbriefen hindeutet, die rein grammatikalisch nicht festgestellt werden können, beispielsweise die Verbindung der direkten Rede mit Unwahrheiten und problemverursachenden Aussagen.
Zusätzlich werden Frauenbriefe einzeln behandelt, um eventuelle weibliche und männliche Ausdrucksformen zu unterscheiden, wiederum unter den oben genannten Gesichtspunkten. Dabei zeigen sich keine Unterschiede in der Struktur, jedoch in der Gestaltung der Texte, beispielsweise bei genannten Gottheiten. Unklarheit besteht weiterhin bei den verwendeten Anredenomina für Frauen.
Die theoretischen Befunde werden im letzten Kapitel mit prosopographischen Daten verbunden und somit auf bekannte Personen angewendet. Hierbei werden sowohl die vorläufigen Ergebnisse als auch die Verhältnisse der Involvierten zueinander näher betrachtet. Privatbriefe dienen auf diese Weise als Hilfe, die Natur bereits bekannter Verhältnisse zwischen Personen weiter zu verfeinern, können jedoch aufgrund der systematischen Gestaltung auch die prosopographische Zuordnung verschiedener Personennamen erleichtern.