Abstract (deu)
Die vorliegende interdisziplinäre Arbeit befasst sich mit der archäologischen und anthropologischen Analyse fünf frühbronzezeitlicher Siedlungsbestattungen aus Ziersdorf im westlichen Weinviertel (Niederösterreich). Darin wird auch die Notwendigkeit der Einflechtung anthropologischer Expertise bereits in die archäologische Grabungsdokumentation sowie bei der Bearbeitung des Materials als Voraussetzung für eine fundierte Interpretation von (Sonder-)Bestattungen hervorgehoben.
Bestattungen in Siedlungsobjekten sind in vielen ur- und frühgeschichtlichen Epochen verbreitet und treten in der FBZ vor allem ab der jüngeren Phase der AK und in der VK gehäuft auf. Als Sonderbestattungen werden jene Bestattungen angesprochen, die mit einem oder mehreren Merkmalen – beispielsweise dem Bestattungsort - vom regulären Grabritus einer spezifischen Kulturausprägung abweichen. In der Archäologie wird dieses Phänomen häufig auf soziales Außenseitertum, ungewöhnliche persönliche Schicksale und kultisch-religiöse Rituale zurückgeführt. Ethnographische Analogien können die Vielfalt der Entstehungsursachen einer individuellen Sonderbehandlung im Bestattungsritus einer Gemeinschaft, die im archäologischen Befund kaum fassbar sind, verdeutlichen.
Im Wesentlichen reflektieren die Ziersdorfer Siedlungsbestattungen die Variabilität des Vergleichsmaterials aus Niederösterreich und Mähren. Das Fundmaterial aus den Objekten entspricht großteils dem gängigen Inventar frühbronzezeitlicher Siedlungsgruben; anhand des Keramiktypenspektrums lassen sich die Befunde an das Ende der FBZ (Stufe A2-B1) datieren. Insgesamt wurden acht Skelette – gleichermaßen adulte wie subadulte Individuen beiden Geschlechts – in Einzel-, Doppel- und Dreifachbestattungen mit unterschiedlichen Totenhaltungen dokumentiert. Bemerkenswert ist das umfangreiche Spektrum an pathologischen und traumatologischen Befunden. Mögliche Hinweise auf präfunerale Ursachen der Sonderbestattungen (Todesart, Krankheit) sowie Unterschiede zwischen ritualisierten Bestattungshandlungen und spontanen „Entsorgungen“ von Toten sind am anthropologischen und archäologischen Befund zu erkennen.