You are here: University of Vienna PHAIDRA Detail o:1295430
Title (deu)
Josef Hoffmann
Sanatorium Purkersdorf (1904 - 1905)
Author
Karin Thun-Hohenstein
Advisor
Sebastian Schütze
Assessor
Sebastian Schütze
Abstract (deu)
Das Sanatorium Purkersdorf des österreichischen Architekten Josef Hoffmann (1870-1956) ist eines der bedeutendsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts. Trotzdem gibt es bislang keine ausführliche kunsthistorische Analyse dieses Bauwerks. Mit der vorliegenden Arbeit wird versucht, diese Lücke zu schließen. Von Victor Zuckerkandl, einem angesehenen Mitglied der Wiener Gesellschaft, in Auftrag gegeben, wurde das Sanatorium zwischen 1904 und 1905 in Purkersdorf bei Wien errichtet. Zahlreiche Entwürfe von der Hand Josef Hoffmanns sind erhalten, aus denen sich die Planung einer stetig wachsenden Bauaufgabe und eine enorme stilistische Entwicklung ablesen lassen. War zunächst ein bescheidenes Kurhaus mit wenigen Patientenzimmern vorgesehen, entwarf Hoffmann schließlich ein imposantes Sanatorium mit zahlreichen Gesellschaftsräumen und schuf ein im Stil eines Grand Hotels gehaltenes Gebäude, das bald zum beliebten Treffpunkt für Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wurde. Die stilistische Entwicklung der entworfenen Gebäude verläuft von einem ländlich-traditionell inspirierten Bauwerk mit mächtigem Walmdach zu einem radikal neuen, von Kuben, Quadern und geraden Linien geprägten Sanatorium mit flachem Dach, das eine Verwandtschaft mit italienischer Bauweise aufweist. Basierend auf der formalen Analyse dieses Gebäudes lassen sich zwei konzeptuelle Hauptgedanken erkennen. Einerseits wird durch eine elegante Dekoration des weißen Gebäudes mit einem Band aus schachbrettartig verlegten blauen und weißen Fliesen, die sämtliche Wandflächen und Fensteröffnungen umrahmen, der tektonische Aufbau des Gebäudes verunklärt und die Individualität der Wände betont, sodass diese nicht als Träger von Bauschmuck erscheinen, sondern selbst zum Schmuck des durch sie geschaffenen architektonischen Raumes werden. Dies ist Voraussetzung für das Zerlegen des Hauses in scheinbar freischwebende Wand- und Deckenscheiben, wie es kennzeichnend für das Neue Bauen der 1920er Jahre wurde. Andererseits verlieh Hoffmann durch die gewählte architektonische Gestaltung der Fassaden des Sanatoriums dem Gebäude eine metaphorische Bedeutung: Die dem ankommenden Patienten zugewandte, streng symmetrische Fassade im Westen ist von einer starken horizontalen wie vertikalen Spannung gekennzeichnet, was den Gemütszustand eines nervenleidenden Patienten wiederspiegelt, während die dem Garten zugewandte korrespondierende Fassade im Osten von harmonischen und dynamisch bewegten architektonischen Elementen geprägt ist, was dem erhofften Zustand nach einer Kur im Sanatorium entspricht. Dasselbe Prinzip lässt sich im Verhältnis der Fassaden im Norden und Süden und des ursprünglich vorgesehenen plastischen Bauschmucks der Ost- und der Westfassade beobachten. Untermauert wird diese Interpretation von Hoffmanns ästhetischem Vokabular durch die Tatsache, dass er die markantesten Details der Ostfassade erst nach dem letzten bekannten Vorentwurf geändert und am ausgeführten Bauwerk verwirklicht hat und dass exakt diese formalen Details in einem 1898 publizierten Artikel, den Hoffmann mit großer Wahrscheinlichkeit kannte, mit bestimmten „Gefühlsnuancen“ wie Anspannung, Lebendigkeit oder Ruhe verbunden wurden. Daher kann angenommen werden, dass Hoffmann – inspiriert von diesen Ausführungen – bewusst einige letzte Änderungen vornahm, um mit seiner architektonischen Formensprache die beschriebene metaphorische Bedeutung zum Ausdruck zu bringen. Das Sanatorium Purkersdorf ist ein hervorragendes Beispiel eines Gesamtkunstwerkes, bei dem die Innenausstattung fast zur Gänze von Künstlern der Wiener Werkstätte unter der Leitung von Josef Hoffmann gefertigt wurde. Im Kontext des architektonischen Œuvres von Josef Hoffmann betrachtet, erweist sich das Sanatorium als der Höhepunkt seiner geometrisch-puristischen Schaffensperiode. Diese folgt auf eine von gekurvten, biomorphen Motiven dominierte secessionistische Phase und geht einer Hinwendung zur Gestaltung mit üppigerem Bauschmuck bzw. mit Elementen, die der klassischen Architektur entlehnt sind, voran. Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf leistet einen bedeutenden Beitrag und besetzt eine wichtige Zwischenstufe auf dem Weg zu der von offener Raumkonzeption gekennzeichneten Architektur der 1920er Jahre und gilt daher als eines der bedeutendsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts, als Pionierleistung und Schlüsselwerk der Architekturgeschichte.
Abstract (eng)
The Purkersdorf Sanatorium near Vienna by Austrian architect Josef Hoffmann (1870-1956) is one of the most important buildings of the 20th century. Yet it has never been analyzed in detail from an art historical perspective. The purpose of this paper is to correct this. Commissioned by Victor Zuckerkandl, a respected member of Vienna Society, the sanatorium was built close to the city between 1904 and 1905. Numerous preliminary sketches by Hoffmann have survived. They reveal an enormous stylistic development, and an increasing ambition with regards to the size of the sanatorium. After initially conceiving a modest, two-storey building with only a few hospital rooms, Hoffmann’s designs developed into an impressive, three-storey sanatorium with several reception rooms in the style of a grand-hotel, which soon became a popular meeting place for personalities from the fields of arts and culture. Stylistically, the process evolved from a sketch for a traditional building with a massive hip roof inspired by rural architecture, to a radically new sanatorium reminiscent of Italian buildings with a flat roof and an exterior dominated by cubes and straight lines. A formal analysis of the sanatorium leads to two main underlying conceptual ideas. First, by framing the window openings and the edges of the outer walls with decorative bands of square blue and white tiles, Hoffmann obscured the actual tectonic structure of the building and emphasized the individuality of each framed plane, so that these framed planes cease to be carriers of applied architectural decoration and instead become the decoration of the enclosed architectural space themselves. From there it is a small step to the seemingly free-floating walls and ceilings which became a characteristic of modern architecture in the 1920s. In addition, Hoffmann conveyed a series of metaphorical messages through the facades of his building. A rigorously symmetrical facade on the western side with strong horizontal and vertical tension presents itself to the arriving guest, mirroring the state of anxiety and tension of a mentally ill patient admitted to the sanatorium. Conversely, the corresponding eastern facade, facing the garden, is characterized by dynamic and harmonious forms, signifying the patient‘s recovery after being treated in the sanatorium. A similar pattern can be observed in the relationship between the facades to the north and south, and between the original sculptural decoration of the eastern and western facades. This interpretation of Hoffmann’s aesthetic vocabulary is supported by the fact that Hoffmann’s final drawing depicting the eastern facade does not entirely correspond with the finished structure. An article published in 1898, which Hoffmann would most probably have known, describes exactly these divergent details and links them to certain “nuances of feeling“, such as tension, liveliness or calmness. Therefore it can be assumed that Hoffmann was inspired by the article and intentionally included certain elements in the final design to express the desired metaphorical meaning. The sanatorium at Purkersdorf is an outstanding example of a Gesamtkunstwerk, or “total work of art”, in which the entire interior decoration was made by artists of the Wiener Werkstätte under the direction of Josef Hoffmann. Viewed in the context of Hoffmann’s architectural oeuvre, the sanatorium proves to be the highlight in a creative period marked by pure geometric form. Prior to this, Hoffmann’s work was inspired by the organic shapes of the Secessionist movement in Austria. Later, Hoffmann turned to more sumptuous decorations and began using elements borrowed from classical architecture in his designs. Hoffmann’s Purkersdorf Sanatorium occupies a significant position in the development of architecture. In particular, it represents an important contribution to the emergence of the architecture of the 1920s which is characterized by an open concept of space. It is rightly regarded as one of the greatest buildings of the early 20th century and a pioneering achievement in the history of architecture.
Keywords (eng)
Josef Hoffmann (1870-1956)architecturePurkersdorf Sanatorium
Keywords (deu)
Josef Hoffmann (1870-1956)ArchitekturSanatorium Purkersdorf
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1295430
rdau:P60550 (deu)
281 S. : zahlr. Ill., Kt.
Number of pages
284
Members (1)
Title (deu)
Josef Hoffmann
Sanatorium Purkersdorf (1904 - 1905)
Author
Karin Thun-Hohenstein
Abstract (deu)
Das Sanatorium Purkersdorf des österreichischen Architekten Josef Hoffmann (1870-1956) ist eines der bedeutendsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts. Trotzdem gibt es bislang keine ausführliche kunsthistorische Analyse dieses Bauwerks. Mit der vorliegenden Arbeit wird versucht, diese Lücke zu schließen. Von Victor Zuckerkandl, einem angesehenen Mitglied der Wiener Gesellschaft, in Auftrag gegeben, wurde das Sanatorium zwischen 1904 und 1905 in Purkersdorf bei Wien errichtet. Zahlreiche Entwürfe von der Hand Josef Hoffmanns sind erhalten, aus denen sich die Planung einer stetig wachsenden Bauaufgabe und eine enorme stilistische Entwicklung ablesen lassen. War zunächst ein bescheidenes Kurhaus mit wenigen Patientenzimmern vorgesehen, entwarf Hoffmann schließlich ein imposantes Sanatorium mit zahlreichen Gesellschaftsräumen und schuf ein im Stil eines Grand Hotels gehaltenes Gebäude, das bald zum beliebten Treffpunkt für Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wurde. Die stilistische Entwicklung der entworfenen Gebäude verläuft von einem ländlich-traditionell inspirierten Bauwerk mit mächtigem Walmdach zu einem radikal neuen, von Kuben, Quadern und geraden Linien geprägten Sanatorium mit flachem Dach, das eine Verwandtschaft mit italienischer Bauweise aufweist. Basierend auf der formalen Analyse dieses Gebäudes lassen sich zwei konzeptuelle Hauptgedanken erkennen. Einerseits wird durch eine elegante Dekoration des weißen Gebäudes mit einem Band aus schachbrettartig verlegten blauen und weißen Fliesen, die sämtliche Wandflächen und Fensteröffnungen umrahmen, der tektonische Aufbau des Gebäudes verunklärt und die Individualität der Wände betont, sodass diese nicht als Träger von Bauschmuck erscheinen, sondern selbst zum Schmuck des durch sie geschaffenen architektonischen Raumes werden. Dies ist Voraussetzung für das Zerlegen des Hauses in scheinbar freischwebende Wand- und Deckenscheiben, wie es kennzeichnend für das Neue Bauen der 1920er Jahre wurde. Andererseits verlieh Hoffmann durch die gewählte architektonische Gestaltung der Fassaden des Sanatoriums dem Gebäude eine metaphorische Bedeutung: Die dem ankommenden Patienten zugewandte, streng symmetrische Fassade im Westen ist von einer starken horizontalen wie vertikalen Spannung gekennzeichnet, was den Gemütszustand eines nervenleidenden Patienten wiederspiegelt, während die dem Garten zugewandte korrespondierende Fassade im Osten von harmonischen und dynamisch bewegten architektonischen Elementen geprägt ist, was dem erhofften Zustand nach einer Kur im Sanatorium entspricht. Dasselbe Prinzip lässt sich im Verhältnis der Fassaden im Norden und Süden und des ursprünglich vorgesehenen plastischen Bauschmucks der Ost- und der Westfassade beobachten. Untermauert wird diese Interpretation von Hoffmanns ästhetischem Vokabular durch die Tatsache, dass er die markantesten Details der Ostfassade erst nach dem letzten bekannten Vorentwurf geändert und am ausgeführten Bauwerk verwirklicht hat und dass exakt diese formalen Details in einem 1898 publizierten Artikel, den Hoffmann mit großer Wahrscheinlichkeit kannte, mit bestimmten „Gefühlsnuancen“ wie Anspannung, Lebendigkeit oder Ruhe verbunden wurden. Daher kann angenommen werden, dass Hoffmann – inspiriert von diesen Ausführungen – bewusst einige letzte Änderungen vornahm, um mit seiner architektonischen Formensprache die beschriebene metaphorische Bedeutung zum Ausdruck zu bringen. Das Sanatorium Purkersdorf ist ein hervorragendes Beispiel eines Gesamtkunstwerkes, bei dem die Innenausstattung fast zur Gänze von Künstlern der Wiener Werkstätte unter der Leitung von Josef Hoffmann gefertigt wurde. Im Kontext des architektonischen Œuvres von Josef Hoffmann betrachtet, erweist sich das Sanatorium als der Höhepunkt seiner geometrisch-puristischen Schaffensperiode. Diese folgt auf eine von gekurvten, biomorphen Motiven dominierte secessionistische Phase und geht einer Hinwendung zur Gestaltung mit üppigerem Bauschmuck bzw. mit Elementen, die der klassischen Architektur entlehnt sind, voran. Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf leistet einen bedeutenden Beitrag und besetzt eine wichtige Zwischenstufe auf dem Weg zu der von offener Raumkonzeption gekennzeichneten Architektur der 1920er Jahre und gilt daher als eines der bedeutendsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts, als Pionierleistung und Schlüsselwerk der Architekturgeschichte.
Abstract (eng)
The Purkersdorf Sanatorium near Vienna by Austrian architect Josef Hoffmann (1870-1956) is one of the most important buildings of the 20th century. Yet it has never been analyzed in detail from an art historical perspective. The purpose of this paper is to correct this. Commissioned by Victor Zuckerkandl, a respected member of Vienna Society, the sanatorium was built close to the city between 1904 and 1905. Numerous preliminary sketches by Hoffmann have survived. They reveal an enormous stylistic development, and an increasing ambition with regards to the size of the sanatorium. After initially conceiving a modest, two-storey building with only a few hospital rooms, Hoffmann’s designs developed into an impressive, three-storey sanatorium with several reception rooms in the style of a grand-hotel, which soon became a popular meeting place for personalities from the fields of arts and culture. Stylistically, the process evolved from a sketch for a traditional building with a massive hip roof inspired by rural architecture, to a radically new sanatorium reminiscent of Italian buildings with a flat roof and an exterior dominated by cubes and straight lines. A formal analysis of the sanatorium leads to two main underlying conceptual ideas. First, by framing the window openings and the edges of the outer walls with decorative bands of square blue and white tiles, Hoffmann obscured the actual tectonic structure of the building and emphasized the individuality of each framed plane, so that these framed planes cease to be carriers of applied architectural decoration and instead become the decoration of the enclosed architectural space themselves. From there it is a small step to the seemingly free-floating walls and ceilings which became a characteristic of modern architecture in the 1920s. In addition, Hoffmann conveyed a series of metaphorical messages through the facades of his building. A rigorously symmetrical facade on the western side with strong horizontal and vertical tension presents itself to the arriving guest, mirroring the state of anxiety and tension of a mentally ill patient admitted to the sanatorium. Conversely, the corresponding eastern facade, facing the garden, is characterized by dynamic and harmonious forms, signifying the patient‘s recovery after being treated in the sanatorium. A similar pattern can be observed in the relationship between the facades to the north and south, and between the original sculptural decoration of the eastern and western facades. This interpretation of Hoffmann’s aesthetic vocabulary is supported by the fact that Hoffmann’s final drawing depicting the eastern facade does not entirely correspond with the finished structure. An article published in 1898, which Hoffmann would most probably have known, describes exactly these divergent details and links them to certain “nuances of feeling“, such as tension, liveliness or calmness. Therefore it can be assumed that Hoffmann was inspired by the article and intentionally included certain elements in the final design to express the desired metaphorical meaning. The sanatorium at Purkersdorf is an outstanding example of a Gesamtkunstwerk, or “total work of art”, in which the entire interior decoration was made by artists of the Wiener Werkstätte under the direction of Josef Hoffmann. Viewed in the context of Hoffmann’s architectural oeuvre, the sanatorium proves to be the highlight in a creative period marked by pure geometric form. Prior to this, Hoffmann’s work was inspired by the organic shapes of the Secessionist movement in Austria. Later, Hoffmann turned to more sumptuous decorations and began using elements borrowed from classical architecture in his designs. Hoffmann’s Purkersdorf Sanatorium occupies a significant position in the development of architecture. In particular, it represents an important contribution to the emergence of the architecture of the 1920s which is characterized by an open concept of space. It is rightly regarded as one of the greatest buildings of the early 20th century and a pioneering achievement in the history of architecture.
Keywords (eng)
Josef Hoffmann (1870-1956)architecturePurkersdorf Sanatorium
Keywords (deu)
Josef Hoffmann (1870-1956)ArchitekturSanatorium Purkersdorf
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1295431
Number of pages
284