Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit untersucht die medienspezifischen Erzählwerkzeuge von Roman und Sequenzieller Kunst und stellt diese einander gegenüber, um die Funktionsweise und Vorgänge im Zuge der Adaption von Romanen in Comics zu erschließen.
Diese Vergleiche werden nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch durchgeführt, konkret anhand von Werken, die allesamt als Romane und Comics erstmals in Frankreich und in französischer Sprache veröffentlicht wurden, wobei der Schwerpunkt auf die Arbeiten Jacques Tardis für den Verlag Futuropolis gelegt wurde, um etwaige von Verlagsseite vorgegebene,
abweichende Herangehensweisen an die Umsetzung ausschließen zu können und so möglichst einheitliche Ausgangsbedingungen zu schaffen.
Die Adaption von reinem Text in die Form Sequenzieller Kunst sollte als transmedialer Übersetzungsprozess betrachtet werden, bei dem Inhalt und Bedeutung transportierende Ebenen gewonnen werden, gleichzeitig aber auch die individuelle interpretative Freiheit des Lesers zumindest teilweise verloren geht.
Im Gegensatz zum Roman verfügt der Comic über zwei Kanäle, über die er den Rezipienten erreichen kann: Text und Bild. Anders als beim illustrierten Roman jedoch ist die Textebene im Comic stark gekürzt; die Bildebene hingegen ist stark erweitert.
Die Erzählwerkzeuge von Roman und Comic unterscheiden sich vor allem im Detail – der
Autor eines Comics beispielsweise muss bzw. kann in Hinblick auf die Erzählerinstanz
dementsprechend häufig die Wahl treffen, ob eine erzähltechnische Funktion über die textuelle,
die bildliche oder über beide Ebenen ausgeübt werden soll. Grundsätzlich haben aber die
Erzähler in beiden Medien dieselben Möglichkeiten, etwa was ihr diegetisches Verhalten, ihre Präsenz oder ihre Fokalisierung betrifft.
Grundlegend unterschiedlich hingegen ist die weniger ausgeprägte Linearität der sogenannten Sequenziellen Kunst im Vergleich zum Roman: Während letzterer Wort für Wort gelesen werden muss und nur eine Gegebenheit nach der anderen beschreiben kann, arbeitet der Comic vielmehr in Einheiten von Doppelseiten, die dem Rezipienten einen ersten Eindruck von der nun folgenden Handlung vermitteln können – etwa durch auffällige Zeichnungen, Farbgestaltung, große Onomatopöien und ähnliche Gestaltungshinweise. Zudem kann der Rhythmus des
Umblätterns als Leserhythmus übernommen werden, was im Roman hingegen unüblich ist.
Die Reihenfolge, in der ein literarisches Werk und seine Adaption rezipiert werden, ist größtenteils unerheblich. Einzelne Individuen werden natürlich unterschiedlich stark von den verschiedensten Rezeptionserlebnissen geprägt und beeinflusst – darin liegt jedoch kein Spezifikum der Adaption. Von großer Bedeutung für spätere Rezeptionserlebnisse sind lediglich jene
Werke, die durch Zeichnung oder Film, also auf bildlicher Ebene, die Fantasiegestalten des Rezipienten derart überlagern, dass er sich an seine eigene Vorstellung von Figuren oder Orten nicht mehr erinnern kann.