Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem Phänomen mittelalterlicher Literatur zwischen 1180-1220. Hierbei handelt es sich um einen literarischen Gemeinplatz (Topos), welcher bereits in der Antike Verwendung fand, in der behandelten Phase jedoch einen Wandel erfährt. Der Topos leitet sich aus der Bukolik oder auch Schäferdichtung ab und referiert durch seinen Inhalt und seine Benennung („locus amoenus“) auf die liebliche Naturidylle, welche in diesem Motiv inszeniert wird. Traditionell ist der „locus amoenus“ ein Ort der Begegnung für Liebespaare bzw. generell gesprochen Menschen, zwischen denen eine erotische Handlung eingeleitet werden soll. Durch gleichbleibendes Inventar und kaum variierende Handlung veränderte sich dieses Motiv über Jahrhunderte hinweg genauso wenig wie seine Verwendung in der Literatur.
Erst um 1150 wird eben diese Veränderung bemerkbar; das Umkippen der Stimmung, verursacht durch eine Handlungsvariation bei gleichbleibender Inszenierung des Motivs entsteht in einer Zeit „großer“ höfischer Epik und zieht sich durch unterschiedliche literarische Gattungen. Um diese Veränderung deutlich zu machen bzw. interpretieren zu können, werden verschiedene Werke, in denen dieses Umkippen des „locus amoenus“ bemerkbar ist, anhand des Motivs verglichen. Zu ihnen gehören das „Nibelungenlied“, Hartmanns „Erec“ und „Iwein“ sowie Gottfrieds „Tristan“.
Die wesentlichen Punkte der Untersuchung des kippenden „locus amoenus“ gliedern sich in die Betrachtung der einzelnen Werke sowie der Analyse derer Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Hierbei ergibt sich eine allgemeine Struktur im Aufbau des Topos, die sich in Exklusion Einzelner aus der höfischen Gemeinschaft sowie der gegengleich verlaufenden Reintegration in deren soziale Gemeinschaft unterteilen lässt. Eingeleitet wird diese Szene von einem sensorischen Signal, welches den Topos dieser Periode in anfängliche Individualisierungstendenzen mittelhochdeutscher Literatur reiht, da in ihm die persönliche Wahrnehmung ihren Ausdruck findet. Des Weiteren kommt es zur Kombination von Minne- und Kampfhandlungen an diesem „neuen locus amoenus“, der es sich in einer eigenen Arbeit zu widmen lohnen würde.
Zur Interpretation dieses Wandels werden kulturhistorische, narrative sowie psychologische Ansätze herangezogen, um außerliterarische Brüche, vor deren Hintergrund sich dieser literarische Wandel vollzogen haben könnte, herausfiltern zu können.