Abstract (deu)
Diese Arbeit untersucht die Filme des Regisseurs Alexandre Aja, welcher sich im Laufe seiner Karriere vorwiegend auf zeitgenössische und zeitgemäße Aufbereitungen von Horrorfilmklassikern konzentrierte. Einleitend werden unterschiedliche Zugänge zum Horrorgenre diskutiert, um eine Basis der darauf folgenden Analyse zu schaffen und sich mit der Theorie eingehend auseinanderzusetzen. Weiter zeigt diese Arbeit anhand der Analyse der Filme High Tension (2003), The Hills Have Eyes (2006), Mirrors (2008) und Piranha (2010), wie der Regisseur bewusst auf Charaktere und spezifische Konstruktionsmechanismen zurückgreift, welche dem Zuschauer in den Grundzügen als Prototypen des Genrekinos bereits bekannt sind, seine Charaktere jedoch nie auf solche reduziert. Die Charakterkonstruktion Alexandre Ajas und seines Co-Autors Gregory Levasseur beweist hierbei, wie durch genrespezifische Mittel Charaktere geschaffen werden können, mit den Erwartungen der Zuschauer jedoch sehr bald gebrochen werden kann. Ajas Filme, die bezüglich Handlung und Aufbau kaum unterschiedlicher sein könnten, zeigen, wie 'klassische' Stoffe gleichzeitig als Basis etabliert, deren Deutungsebenen andererseits aber erweitert werden können. So zeigt beispielsweise High Tension wie der Zuschauer sich auf Erfahrungs- und Handlungsmuster des Subgenres 'Survival Horror' verlässt; Aja erzielt durch die Konvergenz von Killer und Opfer einen Bruch mit eben dieser Dichotomie und spielt mit den Erwartungen seiner Zuschauer. Ajas Aufarbeitung von Wes Cravens Klassiker The Hills Have Eyes hingegen, erzielt durch historische und ideologische Kontextualisierung eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Konvergenz von Gesellschaft und Aggression als Cravens Vorlage. Im Gegensatz zu seinen anderen Filmen, handelt es sich bei Mirrors nicht um ein Remake, dessen Handlung und Charaktere weitestgehend bekannt und etabliert sind, doch versucht sich der Regisseur hier an der Gratwanderung zwischen Detektivfilm und dem 'Haunted House' Subgenre. Dieser Genremix erlaubt es Aja gleichzeitig das Schockmoment des Horrorfilms und die psychologische Tiefe von 'noir' Charakteren zu erschließen. Wie die Analyse zeigt, sinkt mit der Komplexität der Erzählung jedoch die Glaubwürdigkeit der Charaktere in diesem augenscheinlichen Horrorfilm. In seinem jüngsten Film, Piranha, beweist Aja seine Fähigkeit intertextuelle Referenzen eines ganzen Subgenres auszuschöpfen und gleichzeitig Charakterkonstruktionen der Vorlagen um ein Vielfaches zu erweitern. Die Etablierung der Charaktere im intertextuellen Umfeld schafft hierdurch differenzierte Zugangsweisen zur und Lesarten der Handlung, sodass Zuschauer unterschiedlicher Fasson den Film verschieden wahrnehmen. Ajas Filme schaffen es die ideologische Wahrnehmung der Charaktere durch den Zuschauer um die strukturelle Beschaffenheit des Horrorkinos zu erweitern. Hierbei wird jedoch nicht nur auf eine Beeinflussung des Zuschauers abgezielt, um spezifische Charakterperspektiven anzunehmen, es soll auch eine Reflexion des Zuschauers mit dem Genre und der Charakterisierungen der einzelnen Filme erwirkt werden. Des weiteren erzielt jeder einzelne Film ein anderes Maß an Zuschauerinvolvierung; so reicht der Effekt auf die Zuschauer von diegetischer Absorption (High Tension), über Konfrontation mit banaler Gewalt (The Hills Have Eyes) und emotionaler Verwicklung in die psychologischen Abgründe der Charaktere (Mirrors), bis hin zum intertextuellen Sujet (Piranha), das den Zuschauern mehr Interpretationsfläche bietet als primär greifbar.