Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Problem der Willensfreiheit. Das Forschungsinteresse richtet sich sowohl auf Einflussfaktoren der Freiheitsüberzeugung, als auch auf die praktische Signifikanz des Freiheitsphänomens für Fragen der Moral und Ethik. Ausgehend von der Annahme, dass Willensfreiheit als notwendige Funktion der sozialen Handlungsregulation fungiert (Prinz, 2006; Smilansky, 2002), wird der Bedeutung der Freiheitswahrnehmung für Geschützte Werte und für unterschiedliche Formen der Strafbegründung nachgegangen. Zudem wird die Freiheitsüberzeugung in Abhängigkeit von soziodemographischen Variablen, der religiösen Motivationsstruktur, der Religiositätsausprägung sowie einer konservativen Persönlichkeitsdisposition analysiert. Insgesamt konnten 228 Personen im Alter zwischen 15 und 82 Jahren in die empirische Untersuchung einbezogen werden. Methodisch wurde dafür eine Fragebogenbatterie erstellt, die sich aus unterschiedlichen psychologischen Verfahren zusammensetzt (Free Will and Determinism Scale, Rakos, Laurene, Skala & Slane, 2008; Geschützte Werte Skala, Tanner, Ryf & Hanselmann, 2009; Intrinsic-Extrinsic Religiosity Scale, Gorsuch & McPherson, 1989; Scale-Quest, Batson & Schoenrade, 1991; Konservatismusskala, Wilson & Patterson, 1968; Attitudes toward Punishment Scale, Rakos et al., 2008). Im Ergebnis wird deutlich, dass entwicklungspsychologische und sozialisationsabhängige Faktoren einen Effekt auf die Freiheitswahrnehmung ausüben. Abhängig von der religiösen Motivationsstruktur werden unterschiedliche Freiheitspositionen bezogen. Während intrinsisch religiöse Personen libertarische Freiheitsauffassungen vertreten, befürworten extrinsisch religiöse Personen einen religiösen Determinismus. Auch eine ablehnende Haltung gläubiger Menschen gegenüber einer christlich-libertarischen Freiheitsauffassung bildet sich im Ergebnis ab. Hypothesenkonform erlaubt die Persönlichkeitseigenschaft Konservatismus eine positive Vorhersage hinsichtlich der libertarischen Freiheitskonzeption. Weitere Analysen belegen, dass Freiheitsüberzeugungen sowohl bei Vorhersagen hinsichtlich deontologischer, als auch utilitaristischer Positionen eine Rolle spielen. Libertarische Freiheitsauffassungen stehen darüber hinaus in positiver Relation mit den Bestrafungsmotiven der Vergeltung, Resozialisierung und Abschreckung. Widersprüche zeigen sich zwischen den theoretisch postulierten Annahmen über Willensfreiheit und den subjektiv berichteten Freiheitsauffassungen der Untersuchungsteilnehmer. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt in Hinblick auf die philosophische und theologische Freiheitsdebatte. Es werden Implikationen für das moralische Verhalten und für die christliche Freiheitstradition diskutiert.