Abstract (deu)
Diese Arbeit befasst sich mit dem Medizinstudium an der Universität Wien im Nationalsozialismus dar und geht der Frage nach, welche Änderungen bzw. Kontinuitäten sich dort zwischen den älteren Studienplänen des 20. Jahrhunderts und den neuen deutschen Studienplänen von 1939 und 1944 ergeben hatten. Zu diesem Zweck wurde auch das gesamte Lehrveranstaltungsangebot der Medizinischen Fakultät untersucht. Außerdem wurden versucht, die Stimmung unter den Professoren und den Studierenden gegenüber den neuen deutschen Studienplänen zu erforschen.
Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde das Medizinstudium im gesamten Reich vereinheitlicht. Auch die Universität Wien war daher von dem 1939 neu erlassenen deutschen Studienplan betroffen, der nicht nur einen neuen Lehrplan sondern auch neue Regelungen für das Prüfungssystem und die ärztliche Zulassung mit sich brachte. Der neue Studienplan sollte besonders die Interessen des Nationalsozialismus in der medizinischen Ausbildung berücksichtigen – vor allem die Rassehygiene und die Vorbereitung auf den Krieg.
Die Grundlage dieser Arbeit bilden eine detaillierte Darstellung und ein struktureller Vergleich der verschiedenen Studienplänen aus Österreich, der Weimarer Republik und der NS-Zeit betreffend der Lehrpläne und Prüfungsbestimmungen, aber auch aller fakultativen
Lehrveranstaltungen von 1920-1945. Da es das Ziel war festzustellen, was im neuen Studienplan wirklich neu war, mussten dafür zuerst die älteren Studienpläne gründlich dargestellt werden. Nur so konnte eine klare Aussage getroffen werden, was an dem deutschen Studienplan neu war und
wo ältere Traditionen nur fortgesetzt oder neu belebt wurden. Ein Vergleich zwischen den Lehrveranstaltungen von 1920-1938 und den Lehrveranstaltungen von 1939-1945 sollte außerdem
zeigen, welche Themen mit Bezug zur nationalsozialistischen Gesundheitspolitik erst dann an der Universität Wien neu auftauchten.
Es zeigte sich, dass der neue deutsche Studienplan aus österreichischer Sicht strengere Prüfungsbestimmungen mit sich brachte und dadurch mit der liberalen österreichischen Tradition
der Lernfreiheit gebrochen wurde. Der alte Lehrplan war teilweise nicht verpflichtend gewesen, wohingegen im neuen deutschen Studienplan die Lehrveranstaltungen des umfangreichen
Lehrplans obligatorisch waren. Obwohl in der deutschen Literatur öfters behauptet wird, der neue Studienplan hätte eine Zunahme der Lehrveranstaltungen mit sich gebracht, kann dies aus
österreichischer Sicht nicht bestätigt werden, da der Umfang an Semesterstunden relativ gleich war. Allerdings war die Einführung der neuen Lehrveranstaltungen mit ideologischem Hintergrund auf Kosten der traditionellen medizinischen Fächer gegangen, deren stundenmäßiger Umfang abgenommen hatte. Obwohl vorgegeben wurde, dass mit dem neuen deutschen Studienplan die praktische Ausbildung verbessert werden sollte, bot er weniger traditionelle
medizinische Ausbildung als der alte österreichische Studienplan.
Von all den neuen Lehrveranstaltungen waren jene mit Bezug zur Rassenhygiene für das NS-Regime am wichtigsten. Eine detaillierte Analyse der Vorlesungsverzeichnisse zeigte, dass die
Rassenhygiene an der Universität Wien bereits 1934 Teil der Hauptvorlesung aus Hygiene geworden war, wohingegen sie im Deutschen Reich erst 1936 am Lehrplan stand. Trotz der Vergleichbarkeit der Lehrveranstaltungstitel konnte hier keine Aussage darüber getroffen werden, ob diese Lehrveranstaltungen auch inhaltlich vergleichbar waren, da ein inhaltlicher Vergleich der Lehrveranstaltungen den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte. Dieser fehlende Einblick in den Inhalt der Lehrveranstaltung musste auch bei allen weiteren Vergleichen bedacht werden. Behält man dies im Hinterkopf, so kann man zu dem Schluss gelangen, dass es früher oftmals bereits thematisch ähnliche freiwillige Lehrveranstaltungen zu den neuen Pflichtlehrveranstaltungen gegeben hatte. Auf der anderen Seite fanden sich jedoch die freiwilligen Lehrveranstaltungen mit
rassenhygienischem Hintergrund vermehrt erst in den 1940ern.
Der neue Studienplan und seine neuen Pflichtfächer wurden – abgesehen von der Rassenhygiene – von den Professoren und den Studierenden der Universität heftig kritisiert. Forderte man in den Anfangsjahren eher nur leichte Änderungen des neuen Studienplans, schlug die Stimmung mit den Jahren um und man präsentierte schlussendlich eine leicht modifizierte Form des alten
österreichischen Studienplans als Grundlage für die Neugestaltung des deutschen Studienplans.
Die zuständigen Ministerien genehmigten schließlich 1943 und 1944 Änderungen, wodurch vor allem einige der recht unpopulären neuen Gegenstände wieder abgeschafft wurden.