Abstract (deu)
Im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit wird der Frage nachgegangen, wie Schüler_innen in einer bretonischen Immersionsschule der gemeinnützigen Organisation DIWAN, die in Frankreich zu den Minderheitenschulen zählen, ihre individuelle Mehrsprachigkeit erleben. Hierbei soll die Hypothese überprüft werden, ob sich ihre Mehrsprachigkeit durch das Erleben „getrennter“ Mehrsprachigkeit (separated multilingualism, vgl. BLACKLEDGE/CREESE 2010) auszeichnet.
Die Arbeit schreibt sich in die ethnographische Forschung der empirischen Sozialforschung ein. Die Beantwortung der Fragestellung sowie die Auswertung der aufgestellten Hypothese erfolgen in mehreren Schritten:
Zuallererst wird die angesprochene Problematik in ihren Kontext eingebettet. Neben einer Beschreibung der soziolinguistischen Situation der Region der Bretagne, die sich im Westen Frankreichs befindet, wird die Organisation DIWAN und deren Schulnetz vorgestellt, bevor sich präziser der Schule, in welcher die ethnographischen Daten erhoben wurden, zugewendet wird.
Die bretonische Sprache, die als einzige keltische Sprache noch auf dem europäischen Kontinent gesprochen wird, zählt heute zu den weltweit anerkannten Minderheitensprachen. Seit dem Gründungsjahr 1977 setzt sich nun die gemeinnützige Organisation DIWAN für das Weiterleben der bedrohten bretonischen Sprache ein, indem sie mithilfe der Gründung von Immersionsschulen kanadischen Vorbilds bereits ein vollständiges Schulsystem, vom Kindergarten bis zur Matura, formiert hat. Wie bereits dargelegt, basiert diese Forschungsarbeit auf der Teilnehmenden Beobachtung in einer dieser Schulen, welche im deutschsprachigen Raum der Sekundarstufe I entspräche. Sie befindet sich in der Stadt Quimper (Kemper auf Bretonisch), im westlichsten Teil der Bretagne.
In einem zweiten Schritt werden die theoretischen Konzepte, auf die sich diese Arbeit stützt, dargestellt. Vor allem der mittlerweile sehr weit gewordene Begriff der Mehrsprachigkeit wird für die Zwecke dieser Arbeit als dynamisches „Kontinuum“ definiert, welches das gesamte sprachliche Repertoire eines Individuums miteinschließt (WEBER/HORNER 2012). Über dies wird das Konzept der Mehrsprachigkeit auf den schulischen Kontext übertragen und aktuelle Modelle, die Mehrsprachigkeit auf positive Weise fördern, werden vorgestellt (e.g. recursive & dynamic bilingualism, VGL. GARCÍA 2009 ; flexible/integrated & separated multilingualism, VGL. BLACKLEDGE/CREESE 2010). Unter letzteren Begrifflichkeiten wird Folgendes verstanden:
„Integrierte“ Mehrsprachigkeit ist dem Konzept des Sprachenwechsels (code-switching) ähnlich und besagt, dass mehrere Sprachen in einer Äußerung vermischt werden. Dem steht „getrennte“ Mehrsprachigkeit gegenüber, da Sprachen laut diesem Ansatz in einer Äußerung nicht vermischt, und deshalb nacheinander verwendet werden.
Abgesehen von den theoretischen Konzepten der Mehrsprachigkeit sieht die Arbeit die soziale Entstehung von Raum (LEFEBVRE 1974) verbunden mit den Konzepten Sprachenregime (KROSKRITY 2000 ; COULMAS 2005) und einer materialistischen Semiotik (BLOMMAERT/HUANG 2010), als bedeutend an.
Als dritten Schritt werden die methodologischen Ansätze zunächst theoretisch beschrieben, bevor die empirischen Daten vorgestellt, ausgewertet und hinsichtlich der Forschungsfrage analysiert werden. Für die Beantwortung der Forschungsfrage werden folgende Methoden trianguliert herangezogen: Linguistic Landscaping, Sprachenportraits sowie Narrative Interviews. Es bleibt zu erwähnen, dass für die Auswertung der Sprachenportraits sowie der narrativen Interviews auf die qualitative Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung nach MAYRING (20108) zurückgegriffen wurde.
Ein letztes Kapitel widmet sich zuerst auf theoretischer Ebene der Triangulation unserer Forschungsarbeit und hat über dies zum Ziel Gegensätze und Gemeinsamkeiten zwischen den biographischen Forschungsmethoden der Sprachenportraits und der erzählenden Interviews hervorzubringen.