Abstract (deu)
Innerhalb der letzten Jahrzehnte haben sich Untersuchungen zur Herkunft von Horn- und Feuersteinartefakten („Silex“) unter Einbeziehung von mikropaläontologischen und geochemischen Analysemethoden zu einem bedeutenden Faktor in Hinblick auf sozio- kulturelle Interpretationen archäologischer Fragestellungen etabliert. Dennoch waren die meisten aktuellen Fallstudien nicht dazu in der Lage, die Problematik zufriedenstellend zu lösen. Erschwerter oder überhaupt kein Zugang zu notwendigen Laboreinrichtungen, räumlich zu stark begrenzte Untersuchungsgebiete sowie zu kleine Probenmengen für naturwissenschaftliche Analysen haben umfassende Untersuchungen bisher weitgehend verhindert.
Ein systematischer Ansatz, der reproduzierbare Ergebnisse erbracht hätte, ist demzufolge nach wie vor ausständig, und macht die Notwendigkeit einer brauchbaren Methode für die Herkunftsbestimmung von Horn- und Feuerstein im archäologischen Kontext offensichtlich.
Pilotstudien an der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben innerhalb der letzten Jahre Möglichkeiten zur erfolgreichen Anwendung eines transdisziplinären, mehrstufigen Systems für Rohmaterial-herkunftsbestimmungen aufgezeigt. Diese Methode besteht aus einem dreiteiligen analytischen Verfahren: Visuelle (makroskopische), mikroskopische und petrologisch/ geochemische Untersuchungen werden darin zu einer intern gewichteten Einheit zusammengeführt. Makroskopische Beschreibungen erlauben eine grobe Zuordnung von Artefakten zu ihren Herkunftsregionen, mikroskopische Untersuchungen sind vor allem auf vergleichende Studien zu Fossileinschlüssen und der Feststellung spezifischer „Fauna- Vergesellschaftungen“ in mikrokristallinen SiO2- Varietäten ausgerichtet. Für geochemische Analysen wird Laser Ablation-induktiv gekoppelte Plasma Massenspektrometrie (LA-ICP-MS) eingesetzt. LA-ICP-MS ist besonders zur Feststellung von Spurenelementsgehalten in Gesteinsmaterial geeignet.
Obwohl jede der angeführten Methoden individuell getestet wurde und zum Teil auch brauchbare Ansätze geliefert hat, ist bislang noch kein Durchbruch für Rohmaterial-herkunftsbestimmungen geglückt. Es existieren zwei wesentliche Unterschiede zwischen dem vorliegenden Projekt und früheren Studien: 1.) Die systematische Anwendung der oben genannten Methoden und Definition eines „Fingerabdrucks“ für jede untersuchte Lagerstätte, und 2.) räumlich umfassende Untersuchungen bedeutender europäischer Horn- und Feuersteinlagerstätten unter Anwendung des interdisziplinären Ansatzes. Rohmaterialproben wurden in erster Linie von der Vienna Lithothec (Leitung: Gerhard Trnka, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Wien) zur Verfügung gestellt. Nur die Kombination der erwähnten analytischen Methoden und enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Archäologen, Anthropologen, Mineralogen, Petrologen und Mikropaläontologen konnte letztlich die gewünschten Resultate erzielen. Die vorliegenden Forschungsergebnisse sollen eine solide Datengrundlage zur Erforschung prähistorisch genützter Silexlagerstätten bilden, eine Quelle zur Beantwortung sozialanthropologischer Fragestellungen sowohl für Archäologen wie für Naturwissenschafter, und Ansporn sein für weitere Forschungstätigkeiten in naher Zukunft.