Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem französischen Übersee-Département La Réunion, einer Insel im Indischen Ozean, die seit 1946 nach einer jahrhundertelangen Kolonialisierung zu einem integrierten Teil Frankreichs wurde. Nach der Auseinandersetzung mit der Geographie und der Geschichte der Insel – von der Besiedelung, die mit der Kolonialisierung begann bis zu den Regionalwahlen im März 2010 – beginnt der methodische Teil der Untersuchung. Insgesamt wurden 196 Zeitungsartikel aus einer der beiden unabhängigen Tageszeitungen der Insel, Journal de l'Ile, einer Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger unterzogen. Ausgewählt wurden alle Artikel, die zwischen dem 01. März und dem 31. März 2010 erschienen und die Regionalwahlen 2010 zum Thema hatten. Durch die Diskursanalyse ließ sich feststellen, welche Themen im untersuchten öffentlichen Teildiskurs während des Wahlkampfes vorkamen und welche Tendenz die Berichterstattung hatte. Es konnte aber auch festgelegt werden, welche Themen nicht vorkamen, die von gesellschaftlicher Relevanz sein könnten. Das Ergebnis ließ im ersten Schritt eine Momentaufnahme der Berichterstattung über die politische Situation auf La Réunion zu. Die öffentlich behandelten, zentralen Themen und auch die Problematiken konnten durch die Analyse sichtbar gemacht werden. Themenbereiche wie Verkehr, der Bau eines Museums, die Differenzen zwischen den Politiker_innen und Bildungsfragen konnten als relevant kategorisiert werden, während Soziales oder auch mögliche Abhängigkeiten zu Kontinentalfrankreich kaum Erwähnung fanden. Wenn diese Themen angesprochen wurden, dann von kleinen Listen, die den Einzug in den Conseil Régional nicht schafften und somit auch nicht zum politischen Mainstream gezählt werden können, sondern zu kleinen Gegenströmungen. Es stellte sich die Frage, wieso über manche Themen nicht oder nur wenig publiziert wurde, wieso sie nicht oder kaum Teil des Diskurses waren. Diese in der Arbeit als „fehlend“ bezeichneten Themen betreffen Großteils soziale und wirtschaftliche Missstände (z.B. hohe Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Abhängigkeit von Frankreich, Analphabetismus). Diese Feststellung ließ in der Interpretation den Schluss zu, dass die Schieflagen von der Mehrheit der Gesellschaft verinnerlicht und zur Normalität wurden. Die Ursachen für die Normalisierung sind in der Geschichte zu finden. Die seit Jahrhunderten in der Öffentlichkeit transportierte „Wahrheit“ über das enge Verhältnis zwischen La Réunion und (Kontinental-) Frankreich lassen kaum Kritik an der Beziehung zu. Weiters macht es die wirtschaftliche Abhängigkeit von La Réunion dem Hexagone gegenüber (Kontinentalfrankreich) schwierig, sich kritisch zu äußern. In Folge leidet darunter auch die Aufarbeitung insulaner Probleme, da diese wie gezeigt wurde unmittelbar mit Kontinentalfrankreich zusammenhängen.
Diese Diplomarbeit beinhaltet zusammenfassend eine kritische Auseinandersetzung mit der Berichterstattung im Journal de l'Ile zu den Regionalwahlen 2010, und es wurde versucht, einen historischen Kontext zu diesem öffentlichen Teildiskurs herzustellen.