Die Aufarbeitung der Tragödie der Shoah führte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer bemerkenswerten Popularisierung jüdischer Kulturelemente. Dies zeigt sich an einer beeindruckenden Dichte wissenschaftlicher Studien, die aus den unterschiedlichen sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen stammen, in denen jedoch großteils sehr essentialistische Konzepte von „Juden“ oder „Judentum“ vorherrschen und die sich teilweise als philosemitischer Gegenentwurf zum nationalsozialistischen „Rassenwahn“ präsentieren. Unter den Vorzeichen der „Wiedergutmachung“ erfolgte somit eine gewisse Hypostasierung jüdischer Religionsangehöriger. In dieser Arbeit soll unter Anwendung rezenter religionswissenschaftlicher Methodik die Struktur des nach der Shoah entstandenen Religionsnarratives „Judentum“ analysiert bzw. das in historiographischen Studien vermittelte Bild jüdischer Religiosität herausgearbeitet werden. Dabei zeigt sich, dass das Narrativ von einer spezifischen Abgrenzungsrhetorik geprägt ist, die eine vollkommene Gegensätzlichkeit von „jüdischen“ und „nicht-jüdischen“ Religionen und Kulturen behauptet. Religionssystemisch auffällig ist die ausschließlich unter „monotheistischen“ Prämissen wahrgenommene Religiosität von Juden und Jüdinnen in Kontrast zu Religionsformen ihrer jeweiligen historischen Umgebungskultur, die unter Einsatz einer pejorativen Terminologie („Polytheisten“, „Heiden“) abgegrenzt werden. Eine besondere Rhetorik der Abgrenzung ist jedoch gegenüber den „monotheistischen“ Religionskonkurrenten („Christen“) zu beobachten, die als das Paradigma judenfeindlicher Gesinnung verhandelt werden, gleichzeitig unter der zweifelhaften Metapher des „christlichen Abendlandes“ die markante Hintergrundfigur jüdischer Religionsgeschichte bilden. Überall dort, wo die scheinbar klaren Grenzen zur christlichen bzw. „nicht-jüdischen“ Umgebungskultur durchlässig werden, findet im Narrativ eine auffällige Dramatisierung des Kontaktes statt. Hier hat der redundante Rückgriff auf den „Kampfbegriff Assimilation“ die Funktion, das Exzeptionalismus-Modell jüdischer Geschichte aufrechtzuerhalten. Allerdings demonstrieren gerade die historischen ostjüdischen Religionskulturen bzw. rezente amerikanisch-jüdische Religionsphänomene wie Secular Judaism oder Jewish Spirituality einen beeindruckenden Religionspluralismus bzw. die hervorragende Adaptionsfähigkeit jüdischer Religionen. Durch neue methodische Ansätze kann somit das artifiziell abgeschlossene Religionsfeld „Judentum“ geöffnet und eine wissenschaftliche „Ghettoisierung“ vermieden werden.
Die Aufarbeitung der Tragödie der Shoah führte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer bemerkenswerten Popularisierung jüdischer Kulturelemente. Dies zeigt sich an einer beeindruckenden Dichte wissenschaftlicher Studien, die aus den unterschiedlichen sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen stammen, in denen jedoch großteils sehr essentialistische Konzepte von „Juden“ oder „Judentum“ vorherrschen und die sich teilweise als philosemitischer Gegenentwurf zum nationalsozialistischen „Rassenwahn“ präsentieren. Unter den Vorzeichen der „Wiedergutmachung“ erfolgte somit eine gewisse Hypostasierung jüdischer Religionsangehöriger. In dieser Arbeit soll unter Anwendung rezenter religionswissenschaftlicher Methodik die Struktur des nach der Shoah entstandenen Religionsnarratives „Judentum“ analysiert bzw. das in historiographischen Studien vermittelte Bild jüdischer Religiosität herausgearbeitet werden. Dabei zeigt sich, dass das Narrativ von einer spezifischen Abgrenzungsrhetorik geprägt ist, die eine vollkommene Gegensätzlichkeit von „jüdischen“ und „nicht-jüdischen“ Religionen und Kulturen behauptet. Religionssystemisch auffällig ist die ausschließlich unter „monotheistischen“ Prämissen wahrgenommene Religiosität von Juden und Jüdinnen in Kontrast zu Religionsformen ihrer jeweiligen historischen Umgebungskultur, die unter Einsatz einer pejorativen Terminologie („Polytheisten“, „Heiden“) abgegrenzt werden. Eine besondere Rhetorik der Abgrenzung ist jedoch gegenüber den „monotheistischen“ Religionskonkurrenten („Christen“) zu beobachten, die als das Paradigma judenfeindlicher Gesinnung verhandelt werden, gleichzeitig unter der zweifelhaften Metapher des „christlichen Abendlandes“ die markante Hintergrundfigur jüdischer Religionsgeschichte bilden. Überall dort, wo die scheinbar klaren Grenzen zur christlichen bzw. „nicht-jüdischen“ Umgebungskultur durchlässig werden, findet im Narrativ eine auffällige Dramatisierung des Kontaktes statt. Hier hat der redundante Rückgriff auf den „Kampfbegriff Assimilation“ die Funktion, das Exzeptionalismus-Modell jüdischer Geschichte aufrechtzuerhalten. Allerdings demonstrieren gerade die historischen ostjüdischen Religionskulturen bzw. rezente amerikanisch-jüdische Religionsphänomene wie Secular Judaism oder Jewish Spirituality einen beeindruckenden Religionspluralismus bzw. die hervorragende Adaptionsfähigkeit jüdischer Religionen. Durch neue methodische Ansätze kann somit das artifiziell abgeschlossene Religionsfeld „Judentum“ geöffnet und eine wissenschaftliche „Ghettoisierung“ vermieden werden.