Abstract (deu)
Kollektive und kollaborative Praktiken erleben im Web 2.0 Hochkonjunktur als soziale Revolution und Medienutopie, als Idee für neue Steuerungsmöglichkeiten von Projektgemeinschaften, als „Weisheit der Vielen“ und damit als normative Aufladung einer „kollektiven Intelligenz“. Das innovative Potenzial des Web 2.0 wird in seiner dezentralen Vernetzungsstruktur und seinen interaktiven Anwendungsressourcen für partizipative und kollaborative Praktiken gesehen, die den Menschen dazu verhelfen, sich unabhängig von räumlichen und zeitlichen Barrieren zu Online-Communities zusammenzuschließen und heterarchisch, dynamisch und flexibel – wie in einem Schwarm – an Online-Projekten und Medieninhalten zu arbeiten. Diese in den aktuellen Mediendiskursen breit geführte Debatte um das emanzipatorische und demokratische Potenzial des Web 2.0 und eine damit einhergehende Ermächtigung der Internet-Nutzer/innen sowie neue Wertschätzung des Kollektiven dient als Hintergrund für die medienkritische Untersuchung der digitalen Partizipationskultur im Web 2.0. Ausgehend von der Frage, inwieweit die Internet-Nutzer/innen tatsächlich autonom, vernetzt und selbst bestimmt im Web 2.0 agieren können, sollen medienwissenschaftliche Reflexionen über die aktuellen Mediendiskurse angestellt und dabei ihre komplexen Zusammenhänge mit der visuellen Kultur ergründet werden. Während kollektive und kollaborative Praktiken im Frontend des Web 2.0 als eine Organisationsform größerer Freiheitsgrade, als ein kreativeres und schnelleres Denken und effizienteres Wirtschaften erscheinen, schränken Backendprozesse, Filtersysteme, Datenbewirtschaftung und der problematische Umgang mit Privatsphäre die Rechte und Freiheiten der Internet-Nutzer/innen ein. Das Potenzial einer „Weisheit der Vielen“ und „kollektiven Intelligenz“ der im Web 2.0 umher schwirrenden User/innen ist demzufolge auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht nicht unerkannt geblieben. Seitens der Medienwissenschaften wird dieses Phänomen immer stärker wahrgenommen und die Web-2.0-Verherrlichung seiner Einführungsphase führt zunehmend in konfliktreiche und spannungsgeladene Mediendiskurse.