Abstract (deu)
Das Gebiet der Nanotechnologie und Nanowissenschaft gilt als eines der vielversprechendsten Forschungsfelder des 21. Jahrhunderts. Ob seiner schwer einzuschätzenden Entwicklung fungiert der Bereich sowohl als Träger großer Hoffnungen als auch als Hintergrund anhaltender Ängste und Bedenken. In Anbetracht des großen ökonomischen Potentials haben sich politische EntscheidungsträgerInnen bereits früh darum bemüht gezeigt, die soziale Akzeptanz des Feldes durch eine verantwortungsvolle und nachhaltige Forschungs- und Innovationspolitik sicherzustellen. Die Einhaltung demokratischer Grundsätze und der Einsatz von BürgerInnenbeteiligungsverfahren gelten erklärtermaßen als elementare Bestandteile einer solchen „Governance”-Programmatik. Ein genauerer Blick offenbart jedoch, dass diese auf integrative technowissenschaftliche Entscheidungsfindungsverfahren abzielende Rhetorik durch fest etablierte Vorannahmen wie etwa das „Defizit-Modell“ oder das „Risiko-Paradigma“ unterminiert wird, was zur Folge hat, dass öffentliche Partizipationsinitiativen oftmals zu unidirektionalen, expertenzentrierten Wissensvermittlungsübungen degradiert werden, wodurch die Wissens-, Interpretations- und Erfahrungshorizonte der teilnehmenden „Laien-BürgerInnen“ ins Hintertreffen geraten. Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, unter welchen Umständen und strukturellen Bedingungen es möglich ist, qualitative, bürgerzentrierte Sozialforschung im Bereich neuer und aufstrebender (Nano)Technologien durchzuführen. Welche Ressourcen, Kenntnisse und Kapazitäten sind erforderlich, um Forschung zu betreiben, die die Systematik alteingesessener Regierungsmethoden in Frage stellt, und die alternative Konzepte der technopolitischen Entscheidungsfindung zu implementieren sucht, bei denen BürgerInnen nicht mehr als passive, mit Information zu füllende Gefäße, sondern als TrägerInnen von potentiell wertvoller Expertise verstanden werden? Die Arbeit gründet auf einer eingehenden empirischen Untersuchung dreier Forschungsprojekte, die sich mit BürgerInnenvisionen bezüglich potentieller Nano-basierter Zukunftsszenarien auseinandergesetzt haben. Bei diesen Projekten handelt es sich um das in Arizona situierte NanoFutures-Projekt, das von Durham aus koordinierte DEEPEN-Projekt, und das in Bergen angesiedelte TECHNOLIFE-Projekt. Die Auswertung des Datenmaterials orientiert sich an einem induktiven Grounded Theory-Ansatz und aktuellen Aufrufen zu vergleichender Forschung. Ferner knüpft die empirische Analyse an Konzepte wie Geographies of Science, Technopolitical Cultures, Epistemic Cultures/Communities und Technologies of Imagination an. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass für eine erfolgreiche Durchführung von bürgerzentrierter Wissenschafts- und Technikforschung eine Vielzahl von diskursiven, kulturellen, epistemischen und methodologischen Ressourcen notwendig sind. Ein Befund, der einerseits das Aufkommen eines WissenschaftlerInnentypus aufzeigt, welcher sich nicht mehr in den akademischen Elfenbeinturm zurückzuziehen vermag, und der andererseits das Argument untermauert, dass der Übergang zu verstärkt partizipativen Regierungs- und Entscheidungsfindungsverfahren noch keineswegs als abgeschlossen erachtet werden kann, sondern ständigen Aus- und Neuverhandlungsprozessen unterliegt.