Abstract (deu)
Die artenreiche Gattung der Stummefußkröten (Atelopus) ist innerhalb der Neotropen weit verbreitet. Aufgrund einer mittlerweile weltweit auftretenden Pilzkrankheit, der Chytridiomykose, und des Klimawandels erlitten viele Arten dieser Gattung in den letzten Jahren einen starken Populationsrückgang, während andere jedoch davon unberührt scheinen und stabile Populationen aufweisen. Fundierte Managementpläne für gefährdete Organismen erfordern ein grundlegendes Wissen über die Eigenschaften und damit die Bedürfnisse der jeweiligen Art, welches jedoch für viele Atelopus-Arten fehlt.
Die vorliegende Studie ermittelt erstmals Informationen über verhaltensökologische Merkmale von Atelopus flavescens, der Gelben Stummelfußkröte, welche im Zuge einer Freilandstudie in Französisch Guyana beobachtet wurden. Über einen Zeitraum von jeweils einem Monat in zwei aufeinanderfolgenden Jahren führten wir eine Fang-Wiederfang-Studie durch, um die Populationsgröße abzuschätzen sowie die Standorttreue und Wanderbewegungen der Kröten zu ermitteln. Aus den Daten berechneten wir mithilfe der Minimal-Konvexen-Polygon-Methode (MCP) und der Kerndichteschätzung (KDE, kernel-density-estimation) die Größe der Aktionsradien der Männchen und analysierten die räumliche Verteilung der Kröten innerhalb des Untersuchungsraums. Weiters gibt unsere Studie Einblick in die nächtlichen Ruheplätze von A. flavescens.
In unserem Untersuchungsgebiet entlang mehrerer kleiner Bäche fanden wir fast ausschließlich männliche Tiere. Weibchen wurden - bis auf eine einzige Ausnahme - außerhalb des Untersuchungsgebiets fern von Fließgewässern angetroffen. Während unserer Untersuchungsperiode in der sogenannten „kurzen Trockenzeit“, welche von Februar bis April andauert und niedrigen täglichen Niederschlag (zwischen 1 und 10 mm) aufweist (Bongers et al., 2001) konnten wir keine Wanderung der Weibchen zu den von zahlreichen, rufenden Männchen benutzen Standorten feststellen.
Die von uns untersuchte Population in Nouragues wurde auf 82 Individuen für 2010 (0.002 Individuen/m²) und 93 Individuen für 2011 (0.003 Individuen/m²) auf einer Fläche von 3.4 ha geschätzt. Generell aggregierten sich die Männchen in der Nähe von Bächen, jedoch ergab unsere Untersuchung, dass die räumliche Verteilung nicht gleichförmig war. Vielmehr fanden sich Individuen in Arealen mit höherer Individuendichte („hot spots“) zusammen. Die Männchen zeigten eine ausgeprägte Standortstreue innerhalb der beiden Beobachtungszeiträume (2010: 37 Tage, 2011: 27 Tage) jedoch nicht von Jahr zu Jahr. Neun Individuen, welche wir 2010 beobachtet hatten, wurden im darauffolgenden Jahr wiedergefangen. Diese wanderten im Schnitt eine Distanz von 22.8 m und behielten ihre „home ranges“ während der gesamten zweiten Beobachtungsperiode. Unmittelbare Nähe zum Bach schien dabei ein wichtiges Kriterium für den Standort zu sein, da diese neun Wiederfänge alle in einer Entfernung von bis zu 4.7 m vom Bach entfernt gefunden wurden. Aufgrund der Tatsache, dass 50% der Individuen sehr standorttreu waren und mindestens dreimal während des Untersuchungszeitraumes gefangen wurden, während die restlichen nur ein oder zweimal gesichtet wurden, vermuten wir bei dieser Art das gleichzeitige Vorkommen von sesshaften, standortstreuen und sich in diesem Gebiet nur temporär aufhaltender Tiere, welche sich womöglich auf Durchzug befinden.
Wir stellten fest, dass die Männchen sehr kleine Aktionsradien besitzen: Berechnungen mit der MCP-Methode ergaben eine durchschnittliche Größe von 2.80 m², jene mittels KDE-Methode 4.56 m². Die Aufenthaltsräume überschnitten sich nur minimal, was auf territoriales Verhalten der Männchen hinweist, zumindest außerhalb der Paarungszeit. Die Tiere zeigten eine hohe Bewegungsrate, allerdings auf nur sehr kleinem Raum. Unter den standortstreuen Tieren beobachteten wir einige Individuen, welche auch einzelne, weitere Strecken zurücklegten, jedoch anschließend wieder in ihren „home range“ zurückkehrten.
Die Individuen hielten sich bevorzugt auf erhöhten Plätzen in Sträuchern und kleinen Bäumen auf, was ihnen vermutlich erleichtert, ankommende Weibchen und konkurrierende Männchen zu entdecken.
Jene Individuen, die wir nachts aufspürten, wurden auf Blättern ruhend gefunden, meist in geringerer Höhe als tagsüber.
Mithilfe unserer Studie konnten Erkenntnisse über verhaltensökologische Aspekte wie Standortstreue, Aktionsradien und Wanderbewegungen in Zusammenhang mit dem Habitat der Kröten gewonnen werden. Um Informationen über weitere wichtige Ereignisse der „life history“ wie z.B. die Fortpflanzung und die völlig ungeklärten Aktivitäten der Weibchen zu gewinnen, bedarf es jedoch weiterer Untersuchungen.