Abstract (deu)
In dieser Dissertation werden die verschiedenen Aspekte der institutionellen Landwirtschaft des Eanna-Tempels in der süd-babylonischen Stadt Uruk im ersten Jahrtausend vor Christus untersucht. Als Primärquellen wurden die neubabylonischen Keilschrifttafeln, die aus dem Archiv des Eanna-Tempels stammen, verwendet. Das Archiv deckt einen Zeitraum von etwa 615 v. Chr. bis 522 v. Chr. und gibt somit den Zeitrahmen dieser Studie vor. Die urukäische Landwirtschaft wird in Bezug auf die Organisation der Bewirtschaftung von Tempelländereien und insbesondere das sogenannte Generalpacht-System untersucht. Darüber hinaus werden die Pachtverträge, die Topographie und die Tempelländereien in und um die Stadt Uruk erforscht. Folglich gliedert sich diese Studie in fünf Teile: 1. Einleitung, 2. Organisation der Arbeit, 3. Pachtverträge, 4. Aspekte der urukäischen Topographie, und 5. Zusammenfassung. Dies wird durch eine Reihe von Anhängen mit Text-Editionen, einer Rekonstruktion des landwirtschaftlichen Kalenders und Textkatalogen ergänzt.
Nach einer allgemeinen Einleitung folgt der zweite Teil (Organisation der Arbeit), der sich mit der Entwicklung der Tempellandwirtschaft beginnend mit der Phase vor der Einführung der Generalpacht befasst. Die Organisation und die Aufgaben der verschiedenen landwirtschaftlichen Berufe wie Pflüger, Teilpächter, Gärtner, und einer ganzen Reihe von Aufsehern wird ausführlich behandelt. Die einzelnen Kapitel werden zum Teil durch prosopographische Tabellen ergänzt.
Der Abschnitt über das Generalpacht-System befasst sich vornehmlich mit den Karrieren der einzelnen Personen, die als Generalpächter belegt sind, und mit der Entwicklung dieses Systems. Bisher unveröffentlichte Texte verbessern unsere Kenntnis dieses ausführlich untersuchten Phänomens. Vor allem das private Archiv des Generalpächters Shum-ukin, welches durch eine beträchtliche Anzahl von nicht publizierten Texten ergänzt werden konnte, wirft neues Licht auf seine soziale Herkunft, seine wirtschaftlichen Tätigkeiten und die Anfänge seiner Karriere. Fragen bezüglich des Erfolges des Generalpacht-Systems sowie der Einmischung der königlichen Administration in die Organisation der Tempellandwirtschaft werden erörtert. Die Rolle der Generalpächter wird in Bezug auf die wichtigsten strukturellen Schwächen des Eanna-Tempels, nämlich Mangel an Arbeitskräften und Kapital, diskutiert.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Pachtverträgen, mit ihren formalen Aspekten, der Typologie und der Terminologie. Eine beachtliche Anzahl von bisher unveröffentlichten Texten (zwanzig von insgesamt vierzig vorhandenen Pachtverträgen) konnte identifiziert werden. Dadurch wird unser Wissen über diese Gruppe von Texten deutlich verbessert. Der Nutzen einer Analyse der zeitlichen Verteilung dieser Verträge für das Verständnis der landwirtschaftlichen Strategien des Eanna-Tempels wird erörtert.
Der topographische Teil gibt einen Überblick über die allgemeine geographische Lage im Umland von Uruk sowie über die bedeutenderen Ländereien des Tempels. Als Ausgangspunkt für diese Darstellung dienen die Gewässer, rund um welche die Felder und Gärten des Tempels angeordnet waren. Eine Reihe von Katastertexten wird vorgestellt und deren Sitz im Leben wird diskutiert. Unterschiedliche Formen der Landnutzung und die Größe und Produktivität der Grundstücke werden ebenfalls untersucht. Dies, zusammen mit den Hinweisen aus Pachtverträgen, ermöglicht uns Überlegungen zur Gesamtgröße der Tempelländereien und des Einkommens des Tempels in Naturalien anzustellen.
In den allgemeinen abschließenden Bemerkungen wird die Organisation der Arbeit und das landwirtschaftliche Regime des Eanna-Tempels mit der Situation in anderen babylonischen Institutionen und Regionen verglichen. Trotz vieler struktureller Ähnlichkeiten ergeben sich hier auch deutliche Unterschiede bezüglich der Entwicklung und des Regimes von Eannas Landwirtschaft, vor allem etwa im Vergleich zum Ebabbar-Tempel in Nord-Babylonien. Die besonderen Umstände, vornehmlich die isolierte Lage des Tempels am Rand des babylonischen Reiches, die zu dieser speziellen Entwicklung der Landwirtschaft von Eanna geführt haben, werden abschließend dargelegt.