Abstract (deu)
Im Zuge dieser Arbeit wird erstmals eine umfassende Untersuchung des Phänomens „Doping und dopingäquivalentes Verhalten“ in sportlichen und außersportlichen Handlungsfeldern vorgenommen. Um alle Aspekte des Themenkomplexes abzudecken, orientiert sich die transdisziplinäre Analyse an den Leitfragen „Was ist Doping?“, „Wer dopt?“, „Warum wird gedopt?“, „Warum ist Doping verboten?“ und „Wie wird gegen Doping vorgegangen?“.
Es zeigt sich, dass das Phänomen der Suche nach Möglichkeiten der Leistungssteigerung, -optimierung und -konstanz so alt ist wie die Etablierung der unterschiedlichen Ausprägungsformen des Leistungsprinzips. Der organisierte Sport war einer der ersten gesellschaftlichen Teilbereiche, der gewisse Praktiken als nicht zulässig definierte, allerdings offenbarten sich gleich zu Beginn des Verbots erhebliche Schwierigkeiten, eine exakte Definition zu finden. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Anti-Doping-Bemühungen im Sport auf der Basis einer pragmatischen Festlegung der verbotenen Substanzen und Methoden laufend verstärkt, allerdings mit mäßigem Erfolg. Seither wurde weder die Frage einer Wesensdefinition von Doping geklärt, noch gelang es, im Wettlauf zwischen der Entwicklung neuer Beweismethoden und der Etablierung innovativer Manipulationstechniken die Oberhand zu behalten.
Bei der bislang nur äußerst eingeschränkt vorgenommenen Untersuchung der Aus-prägungsformen des Phänomens in außersportlichen Handlungsfeldern zeigt sich, dass Doping und dopingäquivalentes Verhalten nicht nur quer durch alle organisierten und unorganisierten Sportbereiche zu finden ist, sondern beispielsweise auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, im Berufsleben, in der Nahrungsproduktion und im Alltag. Der Wunsch der Menschen nach Überwindung der natürlichen Grenzen ist mittlerweile ein derart einträgliches Geschäft geworden, dass die Nachfrage nicht nur von legalen Produzenten, sondern auch vom organisierten Verbrechen befriedigt wird.
Die Beleuchtung der Motive für Doping und dopingäquivalentes Verhalten zeigt, dass das Phänomen überdeterminiert ist. Der Versuch der Leistungssteigerung, -optimierung und -konstanz, um natürliche Grenzen sowohl in Bezug auf die körperlichen Fähigkeiten und die phänotypische Ausprägung, als auch in Bezug auf die kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, zu überwinden, lässt sich sowohl auf der Mikro-Ebene der
Anwender, als auch auf der Meso- und Makro-Ebene begründen.
Ausgehend von den vielfältigen Beweggründen für Doping und dopingäquivalentes Verhalten wird der Frage nachgegangen, wie sich die Restriktion im Sport rechtfertigen lässt. Anhand der Ausprägungsform des Phänomens im Spitzensport lassen sich gesellschaftliche Entwicklungen in konzentrierter Art und Weise ablesen und Grundfragen der chemisch-pharmakologischen, hormonellen, chirurgischen, kosmetischen und gentechnologischen Optimierung diskutieren. Die Analyse ergibt, dass neben deontologischen Ansätzen auch teleologische Überlegungen überzeugend für ein Verbot sprechen. Aufgrund der Besonderheiten der Sonderwelt des Sports kann aus dieser Erkenntnis zwar keine zwingende Forderung für außersportliche Handlungsfelder abgeleitet werden, einzelne Argumentationsstränge lassen sich allerdings durchaus übertragen.
Die Analyse der derzeit durchgeführten Anti-Doping-Arbeit offenbart einen großen Optimierungsbedarf. Einerseits ist die strategische und konzeptionelle Ausrichtung nicht geeignet, um nachhaltigen Erfolg zu ermöglichen, andererseits erweist sich die Umsetzung der Vorgaben aus den unterschiedlichsten Gründen als mangelhaft.
Ausgehend von den im Rahmen der umfassenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnissen werden Handlungsempfehlungen für die Zukunft der Anti-Doping-Arbeit formuliert. Als zentrale Aufgaben werden die strategische Neuausrichtung, die Verbesserung der Dopingkontroll-Programme, die Unterstützung durch staatliche Ermittlungsorgane sowie eine tiefgreifende Verhältnis- und Verhaltensprävention identifiziert. Repressive und präventive Maßnahmen müssen einander sinnvoll ergänzen, um nachhaltigen Erfolg sicherstellen zu können.