Abstract (deu)
Mit knapp 5 km bekannter Ganglänge ist das Hermannshöhlensystem bei Kirchberg am Wechsel (NÖ)
die größte Höhle des Unterostalpins. Es besteht aus vier genetisch zusammenhängenden Höhlen, von
denen die Hermannshöhle mit 4,5 km die längste ist. Das System ist ungewöhnlich klein
dimensioniert, mit einer Grundfläche von nur 200 m x 200 m und einer Höhendifferenz von 82 m. Die
Gänge dieses Höhlensystems sind als dichtes, drei-dimensional labyrinthisches Netzwerk angeordnet.
Der Grund für diese komplexe Anlage sowie die Prozesse, die während ihrer Entstehung wirkten, sind
bis heute nicht befriedigend erklärt.
Das Ziel dieser Studie war es, die Genese der Höhle zu erklären. Dazu kam eine Kombination
verschiedener Methoden zur Anwendung. Es wurde eine detaillierte Oberflächenkartierung mit
besonderem Augenmerk auf die Grenze zwischen verkarstungsfähigem und nichtverkarstungsfähigem
Gestein durchgeführt. Des Weiteren erfolgte eine morphologische
Detailkartierung innerhalb des Höhlensystems mit Fokus auf Groß- und Kleinformen. Strukturelle
Elemente wurden eingemessen und dokumentiert. Die Digitalisierung der Vermessungsdaten des
Hermannshöhlensystems ermöglichte es, ein dreidimensionales Modell zu erstellen. Höhlensedimente
wurden auf ihre Korngrößenverteilung untersucht und an einer Stelle mit Paläomagnetik datiert. Es
wurden die Alter von 27 Speläothemen mit der U/Th-Methode absolut bestimmt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Paläo-Environment und das hydrologische Setting der
Hermannshöhle deutlich von den heutigen Verhältnissen unterschieden. Gespeist von ungesättigtem
Wasser aus den nahegelegenen nicht-verkarstungsfähigen Schiefern und Gneisen konnte sich ein gut
ausgebildeter Kontaktkarst entwickeln. Alle Höhlenformen können durch epigene phreatische Bildung
erklärt werden. Phasen vadoser Speläogenese konnten im Gegensatz zu früheren Autoren nicht
nachgewiesen werden. Es wurden keine Beweise für hypogene Speläogenese gefunden.
Infolge von impulsartigem Eintrag klastischer Sedimente konnte sich ein ausgeprägtes System
paragenetischer Canyons ausbilden. Paragenese ist das vorherrschende morphologische Merkmal,
diese dominiert beinahe die gesamte Höhle in einer Vielzahl unterschiedlicher Formen und
Ausprägungen. Dazu zählen Deckenkanäle und Deckenmäander, Deckenkarren, Deckenkolke sowie
Pendants. Lösungsrampen sind häufig und zeigen stellenweise schöne chronologische Abfolgen mit
Fließfacetten. Letztere ergaben eine westwärts gerichtete Entwässerung des Karstsystems zur Zeit
seiner Bildung mit Fließgeschwindigkeiten bis zu 1,5 m/s. Reste früherer Sedimentverfüllungen
konnten im kompletten Höhlensystem nachgewiesen und ihre Ablagerungsbedingungen
nachvollzogen werden. Die Sohle fast aller Gänge ist auch heute noch von Sediment bedeckt, weshalb
ihre wahre Ausdehnung nicht bekannt ist.
Diese Studie gibt Aufschluss über die Prozesse, die den einmaligen labyrinthischen Charakter der
Höhle formten. Zum einen ist die intensive Sedimentverfüllung verantwortlich für die labyrinthische
Anlage der Höhle. Durch wiederholte Verlegung von bevorzugten Fließwegen kam es zur Erweiterung
paralleler Gänge und die Präsenz des Sediments selbst erhöht ebenfalls den Eindruck eines Labyrinths.
Zum anderen führten kurze Fließwege innerhalb des Höhlensystems und hohe Durchflussmengen
entlang vieler verschiedener Wege zur gleichmäßigen Erweiterung konkurrierender Gänge.
Die Datierungen sprechen eher für ein kontinuierliches Absinken des Karstwasserspiegels und zeigen,
dass Teile in mittlerer Höhe des Hermannshöhlen-Systems bereits vor mehr als 500 ka trocken
gefallen sind. Des Weiteren scheinen auch Höhlenteile, die heute auf oder knapp unter dem Niveau
des nahe gelegenen Ramsbaches liegen, bereits vor über 125 ka trocken gewesen zu sein. Anhand
dieser Daten konnten Taleintiefungsraten des Otterbaches, der den Vorfluter darstellt, abgeschätzt
werden. Sie liegen in der Größenordnung von 100 μm/a und korrelieren gut mit Werten aus dem
Mittelsteirischen Karst.
Das Spektrum der mikrotektonischen Merkmale zeigt, dass der Marmor des Eulenberges Bedingungen
der unteren Grünschieferfazies erreicht hat und während seiner gesamten Abkühlphase bis hin zu sehr
geringen Temperaturen von Deformation erfasst wurde. Es konnten eine NNW-SSE-gerichtete
Kompression und eine spätere NE-SW-orientierte Kompression nachgewiesen werden.
Hinweise auf einen Zusammenhang mit der sinistralen Mur-Mürz-Störung, konnten weder im HHS
noch in der näheren Umgebung gefunden werden.