You are here: University of Vienna PHAIDRA Detail o:1306095
Title (deu)
Speläogenese der Hermannshöhle (Kirchberg/Wechsel, NÖ)
Author
Andrea Schober
Adviser
Bernhard Grasemann
Assessor
Bernhard Grasemann
Abstract (deu)

Mit knapp 5 km bekannter Ganglänge ist das Hermannshöhlensystem bei Kirchberg am Wechsel (NÖ)
die größte Höhle des Unterostalpins. Es besteht aus vier genetisch zusammenhängenden Höhlen, von
denen die Hermannshöhle mit 4,5 km die längste ist. Das System ist ungewöhnlich klein
dimensioniert, mit einer Grundfläche von nur 200 m x 200 m und einer Höhendifferenz von 82 m. Die
Gänge dieses Höhlensystems sind als dichtes, drei-dimensional labyrinthisches Netzwerk angeordnet.
Der Grund für diese komplexe Anlage sowie die Prozesse, die während ihrer Entstehung wirkten, sind
bis heute nicht befriedigend erklärt.
Das Ziel dieser Studie war es, die Genese der Höhle zu erklären. Dazu kam eine Kombination
verschiedener Methoden zur Anwendung. Es wurde eine detaillierte Oberflächenkartierung mit
besonderem Augenmerk auf die Grenze zwischen verkarstungsfähigem und nichtverkarstungsfähigem
Gestein durchgeführt. Des Weiteren erfolgte eine morphologische
Detailkartierung innerhalb des Höhlensystems mit Fokus auf Groß- und Kleinformen. Strukturelle
Elemente wurden eingemessen und dokumentiert. Die Digitalisierung der Vermessungsdaten des
Hermannshöhlensystems ermöglichte es, ein dreidimensionales Modell zu erstellen. Höhlensedimente
wurden auf ihre Korngrößenverteilung untersucht und an einer Stelle mit Paläomagnetik datiert. Es
wurden die Alter von 27 Speläothemen mit der U/Th-Methode absolut bestimmt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Paläo-Environment und das hydrologische Setting der
Hermannshöhle deutlich von den heutigen Verhältnissen unterschieden. Gespeist von ungesättigtem
Wasser aus den nahegelegenen nicht-verkarstungsfähigen Schiefern und Gneisen konnte sich ein gut
ausgebildeter Kontaktkarst entwickeln. Alle Höhlenformen können durch epigene phreatische Bildung
erklärt werden. Phasen vadoser Speläogenese konnten im Gegensatz zu früheren Autoren nicht
nachgewiesen werden. Es wurden keine Beweise für hypogene Speläogenese gefunden.
Infolge von impulsartigem Eintrag klastischer Sedimente konnte sich ein ausgeprägtes System
paragenetischer Canyons ausbilden. Paragenese ist das vorherrschende morphologische Merkmal,
diese dominiert beinahe die gesamte Höhle in einer Vielzahl unterschiedlicher Formen und
Ausprägungen. Dazu zählen Deckenkanäle und Deckenmäander, Deckenkarren, Deckenkolke sowie
Pendants. Lösungsrampen sind häufig und zeigen stellenweise schöne chronologische Abfolgen mit
Fließfacetten. Letztere ergaben eine westwärts gerichtete Entwässerung des Karstsystems zur Zeit
seiner Bildung mit Fließgeschwindigkeiten bis zu 1,5 m/s. Reste früherer Sedimentverfüllungen
konnten im kompletten Höhlensystem nachgewiesen und ihre Ablagerungsbedingungen
nachvollzogen werden. Die Sohle fast aller Gänge ist auch heute noch von Sediment bedeckt, weshalb
ihre wahre Ausdehnung nicht bekannt ist.
Diese Studie gibt Aufschluss über die Prozesse, die den einmaligen labyrinthischen Charakter der
Höhle formten. Zum einen ist die intensive Sedimentverfüllung verantwortlich für die labyrinthische
Anlage der Höhle. Durch wiederholte Verlegung von bevorzugten Fließwegen kam es zur Erweiterung
paralleler Gänge und die Präsenz des Sediments selbst erhöht ebenfalls den Eindruck eines Labyrinths.
Zum anderen führten kurze Fließwege innerhalb des Höhlensystems und hohe Durchflussmengen
entlang vieler verschiedener Wege zur gleichmäßigen Erweiterung konkurrierender Gänge.
Die Datierungen sprechen eher für ein kontinuierliches Absinken des Karstwasserspiegels und zeigen,
dass Teile in mittlerer Höhe des Hermannshöhlen-Systems bereits vor mehr als 500 ka trocken
gefallen sind. Des Weiteren scheinen auch Höhlenteile, die heute auf oder knapp unter dem Niveau
des nahe gelegenen Ramsbaches liegen, bereits vor über 125 ka trocken gewesen zu sein. Anhand
dieser Daten konnten Taleintiefungsraten des Otterbaches, der den Vorfluter darstellt, abgeschätzt
werden. Sie liegen in der Größenordnung von 100 μm/a und korrelieren gut mit Werten aus dem
Mittelsteirischen Karst.
Das Spektrum der mikrotektonischen Merkmale zeigt, dass der Marmor des Eulenberges Bedingungen
der unteren Grünschieferfazies erreicht hat und während seiner gesamten Abkühlphase bis hin zu sehr
geringen Temperaturen von Deformation erfasst wurde. Es konnten eine NNW-SSE-gerichtete
Kompression und eine spätere NE-SW-orientierte Kompression nachgewiesen werden.
Hinweise auf einen Zusammenhang mit der sinistralen Mur-Mürz-Störung, konnten weder im HHS
noch in der näheren Umgebung gefunden werden.

Abstract (eng)

The approximately 5 km-long Hermannshöhlen cave system (Kirchberg/Wechsel, Lower Austria) is
the biggest in the Lower Austro Alpine Unit. It consists of four genetically related caves of which
Hermannshöhle is the longest with a total of 4.5 km of corridors. The system is developed within a
ground area of only 200 m x 200 m and an elevation difference of no more than 82 m. Its corridors are
arranged as a three-dimensional maze. The reason for this complex arrangement and the driving
mechanisms of the evolution of the Hermannshöhle could by the day not be clarified.
The aim of this study was to enlighten the genesis of this cave using a combination of various
methods. Detailed surface mapping was conducted with special attention paid to the border of karstic
and non-karstic rocks. Furthermore a detailed morphologic mapping within the cave system was
conducted focussing on paragenetic features. Structural elements were measured and documented. The
special data of the cave system was digitalised and a 3D-model was created. 27 speleothem samples
were dated using the U/Th-method. Cave sediments were investigated regarding grains size
distribution and Paleomagentic samples were taken on one spot.
The results show that the palaeo environment and the hydrologic setting of the Hermannshöhle were
drastically different from today. Fed by undersaturated water from nearby non-karstic gneisses and
schists well-developed contact karst features were formed. All cave features could be explained by
epigean phreatic processes. In contrast to former authors, phases of vadose speleogenesis could not be
confirmed. No proof for a hypogean speleogenesis was found.
Following pulses of clastic sediment input a distinct system of paragenetic canyons developed.
Paragenesis is the primary morphologic feature, dominating almost the entire cave in various forms,
including ceiling meanders, ceiling channels, cupolas and pendants. Solution ramps are abundant and
occasionally show cross-cutting relationships with scallops. The latter indicate a westwards flow
direction of the karst water at the time of the cave formation with flow velocities of up to 1.5 m/s.
Remains of the extensive sediment fills are found throughout the entire cave system giving insight to
the circumstances of their deposition. Clastic sediments still cover the corridor floors, leaving the true
extension of the cave enigmatic.
This study sheds light on the processes that created the unique maze character of this cave system. On
the one hand, the extensive sediment fills lead to the formation of the extreme maze character. Due to
repeated clogging of preferred water paths, parallel corridors could be enlarged and also the sheer
presence of the sediment enhances the impression of a labyrinth. On the other hand, short flow paths
within the cave system and high discharge along many alternate routes lead to the equal widening of
concurring corridors.
The data obtained indicate a rather continuous deepening of the water table and show that the middle
parts of the Hermannshöhlensystem were dry at least 500 ka ago. Also, parts that are nowadays
located at the level of or slightly beneath the nearby Rams brook were dry at least 125 ka ago. On the
basis of the obtained age data valley incision rates of the Otterbach in the order of 100 μm/a could be
estimated.
The spectrum of microtectnic features shows that the marble has seen lower greenschist facies and that
it has been exposed to deformation during its entire cooling phase until very low temperatures. Proof
for an earlier phase of NNW-SSE compression and a later phase of NE-SW compression was detected.
No evidence was found for a link with the sinistral Mur-Mürz-fault, neither within the HHS nor in the
surrounding area.

Keywords (eng)
SpeleogenesisCave3D-mazeParagenesisSlickolite striae
Keywords (deu)
SpeläogeneseHöhle3D-LabyrinthParageneseSlickolite Striae
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1306095
rdau:P60550 (deu)
102 S. : Ill., graph. Darst., Kt.
Number of pages
102
Members (1)
Title (deu)
Speläogenese der Hermannshöhle (Kirchberg/Wechsel, NÖ)
Author
Andrea Schober
Abstract (deu)

Mit knapp 5 km bekannter Ganglänge ist das Hermannshöhlensystem bei Kirchberg am Wechsel (NÖ)
die größte Höhle des Unterostalpins. Es besteht aus vier genetisch zusammenhängenden Höhlen, von
denen die Hermannshöhle mit 4,5 km die längste ist. Das System ist ungewöhnlich klein
dimensioniert, mit einer Grundfläche von nur 200 m x 200 m und einer Höhendifferenz von 82 m. Die
Gänge dieses Höhlensystems sind als dichtes, drei-dimensional labyrinthisches Netzwerk angeordnet.
Der Grund für diese komplexe Anlage sowie die Prozesse, die während ihrer Entstehung wirkten, sind
bis heute nicht befriedigend erklärt.
Das Ziel dieser Studie war es, die Genese der Höhle zu erklären. Dazu kam eine Kombination
verschiedener Methoden zur Anwendung. Es wurde eine detaillierte Oberflächenkartierung mit
besonderem Augenmerk auf die Grenze zwischen verkarstungsfähigem und nichtverkarstungsfähigem
Gestein durchgeführt. Des Weiteren erfolgte eine morphologische
Detailkartierung innerhalb des Höhlensystems mit Fokus auf Groß- und Kleinformen. Strukturelle
Elemente wurden eingemessen und dokumentiert. Die Digitalisierung der Vermessungsdaten des
Hermannshöhlensystems ermöglichte es, ein dreidimensionales Modell zu erstellen. Höhlensedimente
wurden auf ihre Korngrößenverteilung untersucht und an einer Stelle mit Paläomagnetik datiert. Es
wurden die Alter von 27 Speläothemen mit der U/Th-Methode absolut bestimmt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Paläo-Environment und das hydrologische Setting der
Hermannshöhle deutlich von den heutigen Verhältnissen unterschieden. Gespeist von ungesättigtem
Wasser aus den nahegelegenen nicht-verkarstungsfähigen Schiefern und Gneisen konnte sich ein gut
ausgebildeter Kontaktkarst entwickeln. Alle Höhlenformen können durch epigene phreatische Bildung
erklärt werden. Phasen vadoser Speläogenese konnten im Gegensatz zu früheren Autoren nicht
nachgewiesen werden. Es wurden keine Beweise für hypogene Speläogenese gefunden.
Infolge von impulsartigem Eintrag klastischer Sedimente konnte sich ein ausgeprägtes System
paragenetischer Canyons ausbilden. Paragenese ist das vorherrschende morphologische Merkmal,
diese dominiert beinahe die gesamte Höhle in einer Vielzahl unterschiedlicher Formen und
Ausprägungen. Dazu zählen Deckenkanäle und Deckenmäander, Deckenkarren, Deckenkolke sowie
Pendants. Lösungsrampen sind häufig und zeigen stellenweise schöne chronologische Abfolgen mit
Fließfacetten. Letztere ergaben eine westwärts gerichtete Entwässerung des Karstsystems zur Zeit
seiner Bildung mit Fließgeschwindigkeiten bis zu 1,5 m/s. Reste früherer Sedimentverfüllungen
konnten im kompletten Höhlensystem nachgewiesen und ihre Ablagerungsbedingungen
nachvollzogen werden. Die Sohle fast aller Gänge ist auch heute noch von Sediment bedeckt, weshalb
ihre wahre Ausdehnung nicht bekannt ist.
Diese Studie gibt Aufschluss über die Prozesse, die den einmaligen labyrinthischen Charakter der
Höhle formten. Zum einen ist die intensive Sedimentverfüllung verantwortlich für die labyrinthische
Anlage der Höhle. Durch wiederholte Verlegung von bevorzugten Fließwegen kam es zur Erweiterung
paralleler Gänge und die Präsenz des Sediments selbst erhöht ebenfalls den Eindruck eines Labyrinths.
Zum anderen führten kurze Fließwege innerhalb des Höhlensystems und hohe Durchflussmengen
entlang vieler verschiedener Wege zur gleichmäßigen Erweiterung konkurrierender Gänge.
Die Datierungen sprechen eher für ein kontinuierliches Absinken des Karstwasserspiegels und zeigen,
dass Teile in mittlerer Höhe des Hermannshöhlen-Systems bereits vor mehr als 500 ka trocken
gefallen sind. Des Weiteren scheinen auch Höhlenteile, die heute auf oder knapp unter dem Niveau
des nahe gelegenen Ramsbaches liegen, bereits vor über 125 ka trocken gewesen zu sein. Anhand
dieser Daten konnten Taleintiefungsraten des Otterbaches, der den Vorfluter darstellt, abgeschätzt
werden. Sie liegen in der Größenordnung von 100 μm/a und korrelieren gut mit Werten aus dem
Mittelsteirischen Karst.
Das Spektrum der mikrotektonischen Merkmale zeigt, dass der Marmor des Eulenberges Bedingungen
der unteren Grünschieferfazies erreicht hat und während seiner gesamten Abkühlphase bis hin zu sehr
geringen Temperaturen von Deformation erfasst wurde. Es konnten eine NNW-SSE-gerichtete
Kompression und eine spätere NE-SW-orientierte Kompression nachgewiesen werden.
Hinweise auf einen Zusammenhang mit der sinistralen Mur-Mürz-Störung, konnten weder im HHS
noch in der näheren Umgebung gefunden werden.

Abstract (eng)

The approximately 5 km-long Hermannshöhlen cave system (Kirchberg/Wechsel, Lower Austria) is
the biggest in the Lower Austro Alpine Unit. It consists of four genetically related caves of which
Hermannshöhle is the longest with a total of 4.5 km of corridors. The system is developed within a
ground area of only 200 m x 200 m and an elevation difference of no more than 82 m. Its corridors are
arranged as a three-dimensional maze. The reason for this complex arrangement and the driving
mechanisms of the evolution of the Hermannshöhle could by the day not be clarified.
The aim of this study was to enlighten the genesis of this cave using a combination of various
methods. Detailed surface mapping was conducted with special attention paid to the border of karstic
and non-karstic rocks. Furthermore a detailed morphologic mapping within the cave system was
conducted focussing on paragenetic features. Structural elements were measured and documented. The
special data of the cave system was digitalised and a 3D-model was created. 27 speleothem samples
were dated using the U/Th-method. Cave sediments were investigated regarding grains size
distribution and Paleomagentic samples were taken on one spot.
The results show that the palaeo environment and the hydrologic setting of the Hermannshöhle were
drastically different from today. Fed by undersaturated water from nearby non-karstic gneisses and
schists well-developed contact karst features were formed. All cave features could be explained by
epigean phreatic processes. In contrast to former authors, phases of vadose speleogenesis could not be
confirmed. No proof for a hypogean speleogenesis was found.
Following pulses of clastic sediment input a distinct system of paragenetic canyons developed.
Paragenesis is the primary morphologic feature, dominating almost the entire cave in various forms,
including ceiling meanders, ceiling channels, cupolas and pendants. Solution ramps are abundant and
occasionally show cross-cutting relationships with scallops. The latter indicate a westwards flow
direction of the karst water at the time of the cave formation with flow velocities of up to 1.5 m/s.
Remains of the extensive sediment fills are found throughout the entire cave system giving insight to
the circumstances of their deposition. Clastic sediments still cover the corridor floors, leaving the true
extension of the cave enigmatic.
This study sheds light on the processes that created the unique maze character of this cave system. On
the one hand, the extensive sediment fills lead to the formation of the extreme maze character. Due to
repeated clogging of preferred water paths, parallel corridors could be enlarged and also the sheer
presence of the sediment enhances the impression of a labyrinth. On the other hand, short flow paths
within the cave system and high discharge along many alternate routes lead to the equal widening of
concurring corridors.
The data obtained indicate a rather continuous deepening of the water table and show that the middle
parts of the Hermannshöhlensystem were dry at least 500 ka ago. Also, parts that are nowadays
located at the level of or slightly beneath the nearby Rams brook were dry at least 125 ka ago. On the
basis of the obtained age data valley incision rates of the Otterbach in the order of 100 μm/a could be
estimated.
The spectrum of microtectnic features shows that the marble has seen lower greenschist facies and that
it has been exposed to deformation during its entire cooling phase until very low temperatures. Proof
for an earlier phase of NNW-SSE compression and a later phase of NE-SW compression was detected.
No evidence was found for a link with the sinistral Mur-Mürz-fault, neither within the HHS nor in the
surrounding area.

Keywords (eng)
SpeleogenesisCave3D-mazeParagenesisSlickolite striae
Keywords (deu)
SpeläogeneseHöhle3D-LabyrinthParageneseSlickolite Striae
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1306096
Number of pages
102