Abstract (deu)
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit melancholischen Kodierungen und antimelancholischen Strategien in Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf die Pathogenese des Harfenspielers gelegt. An dieser Figur lassen sich am deutlichsten unterschiedliche melancholische Ausprägungen zeigen, welche sich zwischen stiller Traurigkeit und rasendem Wahn ansiedeln. Die Charaktere Mignon, Sperata und Aurelie finden im Sinne der Melancholie und des Wahns ebenfalls Eingang in die Arbeit. Sie dienen als Vergleichsgrundlage zu den unterschiedlichen Wahnausbildungen der Figuren und insbesondere den antimelancholischen Strategien. Sämtliche Faktoren, die den Krankheitsverlauf der Charaktere beeinflussen, werden mithilfe des close-reading-Verfahrens aus dem Werk gefiltert. Im Zusammenhang mit dem Werk Saturn und Melancholie – Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst von Raymond Klibansky, Erwin Panofsky und Fritz Saxl werden die Lehrjahre in einen literatur- und medizinhistorischen Kontext gebracht. Zunächst werden Trauer und Einsamkeit als typische melancholische Anzeichen betrachtet. Im Zusammenhang mit den Forschungsgrundlagen Johann Georgs Zimmermanns und seinem Werk Ueber die Einsamkeit markieren die Kodierungen der stillen Melancholie die Krankheit des Harfners. Das Wahnsinnsmotiv ergibt sich automatisch durch die Steigerung der melancholischen Ausprägungen und aufgestauten Emotionen. Goethe verknüpft mit der Beschreibung der Heilung zahlreiche historische Komponenten, allen voran die Methode des moral managements. Daran lassen sich die Behandlungskonzepte des späten 18. Jahrhunderts festmachen. Die Verschlimmerung des Zustandes des Harfenspielers soll zeigen, dass geniebehaftete, inspirierende und außergewöhnliche Figuren in einer ökonomischen Gesellschaft keinen Platz haben.