Abstract (deu)
Mit dem Aufkommen der Nanowissenschaften und –technology (kurz: Nano) haben auch historische Analogien, besonders mit Gentechnik und Asbest, begonnen die öffentlichen Debatten und politischen Entscheidungsprozesse um Nano mitzubestimmen. Gleichzeitig ist die Governance von neuen Technologien in vielen westlichen Staaten mit Nano in das “Zeitalter des öffentlichen Dialogs (oder Engagements)” eingetreten. Das bedeutet, dass Laien bzw. BürgerInnen zunehmend dazu eingeladen sind in Dialogforen über die Zukunft von Nano zu beraten und entscheiden. Vergleiche mit bekannten Phänomenen, besonders vorangegangenen Technologien, spielen auch in diesen Settings eine zentrale Rolle. Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es diese Rolle in Dialogsettings mit BürgerInnen näher zu erforschen. Im Speziellen wird versucht die funktionale Orientierung und die Effekte von Analogien in der Interaktion, sowie die generelle Signifikanz und Wirkung von Analogien in öffentlichen Debatten um Nano zu erfassen.
Hierfür wird auf verschiedenen Forschungssträngen der Wissenschafts- und Technikforschung aufgebaut, insbesondere auf Arbeiten zum öffentlichen Verständnis von und Engagement zu Wissenschaft und Technologie sowie zur Performativität von Zukünften. Dabei wird eine theoretische Perspektive in Hinblick auf die „Kraft“ von Analogien entwickelt, die über einen kognitivistischen Ansatz hinausgeht und imaginative, rahmungsbezogene, und kollektive Merkmale integriert. In methodologischer Hinsicht wird das Konzept des analogischen Diskurses als Alternative zu statischen Konzeptionen verwendet, das erlaubt die interaktive Entwicklung und Verhandlung von Analogien und Unterscheidungen im Diskurs zu erforschen. Dieses Konzept wird ebenfalls in einem breiteren diskursanalytischen Rahmen verortet, der in erster Linien auf der Tradition der diskursiven Psychologie aufbaut. Die Daten für die empirische Analyse stammen aus vier 4-stündigen Diskussionsgruppen mit österreichischen BürgerInnen zu unterschiedlichen nanotechnologischen Anwendungsfeldern.
Das zentrale Ergebnis des ersten von vier empirischen Kapitels ist, dass hier Analogien dazu verwendet werden um den Versprechungen der Nanomedizin zu kontern und auf Aspekte hinzuweisen die in techno-optimistischen Aussagen fehlen. Das Kapitel zu Human Enhancement illustriert wie Vergleiche dazu dienen, die Idee des Enhancements als unplausibel und ablehnungswürdig darzustellen. Auf Diskussionen zum Thema Kennzeichnung von Nanoprodukten fokussierend zeichnet das dritte empirische Kapitel nach, wie Analogien dazu beitragen aber auch verwendet werden mit dem Dilemma umzugehen, ob Nano in Konsumprodukten positiv oder negativ eingeschätzt werden sollte. Schließlich beschäftigt sich das letzte empirische Kapitel mit der Art und Weise wie Analogien dazu genutzt werden vor Zukünften zu warnen und ihrer Vermeidung aufzurufen, entweder indem die Öffentlichkeit stärker in die Governance von neuen Technologien einbezogen wird oder indem neue Risikomanagementstrategien etabliert werden, die über fehlerhafte wissenschaftliche Vorhersagen hinausgehen.
Die detaillierte empirische Analyse zeigt, dass analogischer Diskurs in Laiendiskussionsgruppen durch eine andauernde Konstruktion und kritische, interaktive Überprüfung von multiplen Analogien charakterisiert ist. Im Gegensatz zu einem Ansatz der versucht einzelne, robuste Analogien zu konstruieren, wie es in der professionellen Ethik der Fall ist, generiert der Laiendiskurs offenere und flexiblere Vergleichsprozesse, in denen relevante Dimensionen von neuen Technologien kollektiv imaginiert und exploriert werden. In diesem analogischen Diskurs werden zentrale kulturelle Dilemmata, die aus einander widersprechenden Werten und Logiken entstehen, aufgeworfen und zu managen versucht.
Analogien werden dabei verwendet um die Akzeptanz oder Ablehnung von Nano zu stützen; spezifische Akteure zu alarmieren um unerwünschte Zukünfte zu verhindern; und als Totschlag-Analogien, die Gegenargumente erfolgreich unterminieren. Zudem wird die Rolle von kulturellen Analogien, die auf breit geteilten Erfahrungen und Annahmen beruhen, und von diskursive Nano ist nicht gleich Nano Bewegungen, in denen zwischen nanotechnologischen Anwendungsbereichen für bestimmte Effekte unterschieden wird, diskutiert. Gesamt gesehen zeigt diese Dissertation die Leistung von analogischer Imagination wie sie in Laiendiskussionen entsteht, gleichzeitig forciert und setzt sie forschungspraktisch eine kritische analogische Sensibilität um, die es ermöglicht Effekte von Analogien auf Rahmungen und diskursive Dynamiken nachzuzeichnen.