Abstract (deu)
Die vorliegende Dissertation ist eine Studie von Metaphern über psychische Krankheit in norwegischen und deutschen Lehrbüchern für die Krankenpflegerausbildung. Sie geht von einem kognitiven Metaphernbegriff aus, d.h. Metaphern werden als Denkstrukturen betrachtet, die unseren sprachlichen Äuβerungen zugrunde liegen. Weiters wird davon ausgegangen, dass sich aus systematisch auftretenden sprachlichen Metaphern Rückschlüsse auf die ihnen zugrunde liegenden Denkstrukturen ziehen lassen.
Metaphernstudien von Lehrbuchtexten verfolgen meist pädagogisch-didaktische Ziele, während es in dieser Studie lediglich darum geht, wie in einem einfachen deutschen und norwegischen Fachdiskurs über psychische Krankheit gesprochen und potenziell auch gedacht wird. Genauer gesagt hat die vorliegende Arbeit ein dreifaches Ziel: 1) grundlegende Metaphern im gegebenen Diskurs über psychische Krankheit zu identifizieren, 2) herauszufinden, inwieweit in den beiden Sprachen im gegebenen Diskurs die gleichen Metaphern verwendet werden und 3), ob eventuelle Unterschiede auf sprachlicher Ebene vorliegen, die auf mögliche Unterschiede im Denken über psychische Krankheit in den beiden Sprach- bzw. Kulturbereichen hindeuten.
Die Studie zeigt, dass der grundlegende Diskurs über psychische Krankheit in den untersuchten norwegischen und deutschen Texten weitgehend von den gleichen Metaphern geprägt ist. Die parallele Verwendung der gleichen Metaphern in den norwegischen und deutschen Texten betrifft sowohl Metaphern, in denen über einen Zielbereich (psychische Krankheit) mit Wörtern aus einer anderen Begriffsdomäne (z.B. Krieg) gesprochen wird, als auch Metaphern, wo Strukturen, sogenannte Bild- oder Vorstellungsschemata, in den Zielbereich übertragen werden.
Aus den identifizierten Metaphern lassen sich für beide Sprachen zwei deutlich dominierende Gruppen ableiten: a) patientfokussierte Metaphern mit einer empathischen, patientnahen Perspektive, wo hauptsächlich Wörter aus den Quellenbereichen lidelse/Leiden und krig/Krieg in den Zielbereich (Krankheit) übertragen werden, und b) krankheitsfokussierte Metaphern, hauptsächlich vertreten durch Vorstellungsschemata (Vertikalorientierung, Balance-Schema, Behälter-Schema) als auch durch Metaphern, bei denen Wissen bzw. Wörter aus dem Quellenbereich Maschine in die Zieldomäne Krankheit importiert werden. Während die patientfokussierten Metaphern beschreiben, wie der Patient die Krankheit erlebt, versuchen die krankheitsfokussierten Metaphern zu erklären, was gestört ist bzw. nicht funktioniert oder aus einer gegebenen Ordnung geraten ist.
Die Studie zeigt weiters, dass im Diskurs über psychische Krankheit in beiden Sprachen weitgehend konventionalisierte Denkmuster verwendet werden. Vorstellungen von Krankheit als ein Aus-dem-Gleichgewicht-kommen (Balance-Metapher) gibt es seit dem Mittelalter. Vorstellungen von Krankheit verstanden als Defekt in der “Maschine Mensch” sind seit Descartes’ Zeiten bekannt, und Krankheit konzeptualisiert als Krieg ist eine seit langem verbreitete und viel diskutierte Metapher in der westlichen Medizin.
Die weitgehend parallele Verwendung der gleichen Metaphern in den untersuchten norwegischen und deutschen Texten lässt auf keine wesentlichen Unterschiede im Denken über das Phänomen psychische Krankheit schlieβen. Indessen gibt es Anhaltspunkte, die auf verschiedene Präferenzen in der Verwendung der beiden identifizierten Hauptgruppen hindeuten könnten, sodass sich möglicherweise eine verschiedene Akzentuierung im Verstehen von psychischer Krankheit (als mehr patientnah/empathisch oder mehr krankheitsfokussiert/distanziert) in den beiden verglichenen Sprach- bzw. Kulturbereichen feststellen lieβe. Um dem näher nachzugehen, bedürfte es allerdings einer bedeutend umfassenderen, auf einem groβen elektronischen Korpus aufbauenden Studie.