Abstract (deu)
Die Zahl derer, die sich in Österreich Methoden medizinisch unterstützter Fortpflanzung unterziehen, scheint im Fortlauf des 21. Jahrhunderts immer weiter zu steigen. Dabei könnte ein umfassender öffentlicher und wissenschaftlicher Diskurs, insbesondere aufseiten der Sozialwissenschaften, teils stiller nicht sein. Im Gegenzug bleiben dadurch die vielschichtig ineinandergreifenden und gelebten Wirklichkeiten von Fortpflanzungsmedizin in Österreich zumeist unbeachtet. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, eben auf diese gelebten Wirklichkeiten konkret einzugehen, und bezieht sich dazu auf fünf offene biographische Interviews mit Frauen, die Methoden medizinisch unterstützter Fortpflanzung in Anspruch genommen haben und mithilfe dieser auch eine Schwangerschaft herbeiführen konnten. Dabei erlaubt das Konzept der „biographical work“ (Holstein and Gubrium 1995), die persönlichen Narrative dieser Frauen als aktive Gestaltungen und die Frauen somit als findige Erzählerinnen zu verstehen, die ihre Biographien zu situativ sinnhaften Darstellungen von sich selbst und ihrem Leben verarbeiten, dazu aber auch eine Vielzahl von relevanten narrativen Ressourcen mobilisieren, die ihre Darstellungen wiederum aktiv in gegebene gesellschaftlich-wissenschaftliche Kontexte einbetten. Dementsprechend können biographische Narrative sowohl als Ergebnis wie auch als Ausdruck persönlicher Identität gesehen werden, das heißt als Art und Weise, wie die Frauen spezifisches und sinnhaftes Selbstverständnis geltend machen. Konkret fragt die vorliegende Arbeit danach, wie die befragten Frauen verschiedene Formen von Identität aus verschiedenen Zeit-Narrativen heraus konstruieren. Für diesen speziellen analytischen Ansatz rekurriert die Arbeit auf die „Timescapes“-Perspektive (Adam 1998), um Zeitlichkeiten gleichermaßen als vielseitig und veränderlich fassbar machen zu können. Um außerdem auf die narrativen Ressourcen eingehen zu können, die die befragten Frauen einsetzen und die sich speziell aus dem Fokus auf Zeitlichkeiten ergeben, setzt sich die vorliegende Arbeit auch damit auseinander, wie Fortpflanzungsmedizin in Österreich organisiert und institutionalisiert ist. Hierfür werden zusätzlich zwei Experteninterviews mit Fachärzten, sowie eine Analyse der performativen Effekte gesetzlicher Regelungen in diesem Bereich herangezogen.