Abstract (deu)
Eine der interessantesten Fragen der Wirtschaftsgeschichte ist, wie die Wohlstandsdifferenzen zwischen einzelnen Ländern und Regionen entstanden sind. Um die Thematik aus einer historischen Perspektive zu analysieren, ist es notwendig, sich mit der industriellen Revolution auseinandersetzen, die die Tendenz zum stetigen Wachstum anleitete. Daron Acemoglu und James Robinson, zwei der prominentesten Vertreter der neo-institutionalistischen Denkschule, haben mit ihrem 2012 erschienen Buch Warum Nationen Scheitern den Anspruch, die ganze Menschheitsgeschichte von der neolithischen Revolution bis zur Gegenwart entlang von Institutionen zu erklären. Dementsprechend gelten inklusive politische und ökonomische Institutionen, die die Teilhabe an ökonomischen und politischen Prozessen ermöglichen, als der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum.
Erst in England entstanden durch die Glorious Revolution 1688 jene Art von Institutionen, die die richtigen Anreize für Investitionen und Innovationen schafften, somit die englische Wirtschaft im 18. Jahrhundert stark ankurbelten, und letztlich zur industriellen Revolution führten, so Acemoglu und Robinson.
Diese liberale Geschichtsauffassung, die die Rolle von Kriegen, Merkantilismus, Protektionismus, Kolonialismus und Imperialismus verschleiert, ist eine Entstellung bzw. Verdrehung der Geschichte. Im Gegensatz zur angeblichen Inklusivität der englischen Institutionen nach 1688, herrschte mindestens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein fiscal-military state, dessen wichtigste und im Grunde beinahe einzige Aufgabe die Kriegsführung war, um seine Handelsbeziehungen nach einem merkantilistischen Weltbild zu erweitern. Unterdrückung, Macht, Krieg, Handel und Reichtum waren eng miteinander verbunden. Für mehr als eineinhalb Jahrhunderte nach der Glorious Revolution ist also der Liberalismus in England nichts anderes als ein Mythos.