Abstract (deu)
Die Revolutionen und Umbrüche, die in Folge des Arabischen Frühlings die Staaten
des Nahen Ostens und Nordafrikas nachhaltig veränderten und nach wie vor verändern,
haben auch große Auswirkungen auf die Sicherheitsarchitektur der Region. Die
vorliegende Masterarbeit befasst sich mit den Auswirkungen des Arabischen Frühlings
auf die Sicherheit Israels im regionalen System. Der jüdische Staat nimmt in
diesem eine Sonderstellung ein, die es in spezieller Form von solchen tief greifenden
Umbrüchen betroffen macht. Zunächst wird dieses System und die Parameter, die in
diesem in Bezug auf Israel vorherrschen, kurz dargestellt. Das regionale System, das
gekennzeichnet war durch Autokratien und eine für Israel stabile regionale Machtkonstellation,
wurde durch die Aufstände nachhaltig erschüttert und verändert.
Anhand dreier Länderbeispiele werden diese Veränderungen dargestellt und der
Frage nachgegangen, wie sich der Arabische Frühling auf die nationale Sicherheit
und das Bedrohungsgefühl Israels ausgewirkt hat. Das Beispiel Ägypten zeigt, wie
eines der zwei Länder, mit denen der jüdische Staat nach Jahrzehnten des Kriegszustandes
einen Friedensvertrag unterzeichnen konnte, durch die Revolution im Jahr
2011 und die Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss in der Folge für Israel
immer mehr zu einem Unsicherheitsfaktor wurde. Syrien, als einer der Nachbarstaaten
Israels, die dem jüdischen Staat feindlich gesinnt sind und wichtigster
Verbündeter der Islamischen Republik Iran, ist durch den Bürgerkrieg nachhaltig
destabilisiert und steht an der Kippe zum gescheiterten Staat. Die einst sicherste
Grenze Israels wurde somit zu einer „heißen“ Grenze. Die Jihadisten, die den Bürgerkrieg
zu einem interkonfessionellen Kampfgebiet zwischen Sunniten und Schiiten
machten, bedeuten für Israel eine massive Sicherheitsbedrohung. Denn allen jihadistischen
Bewegungen ist gemein, dass ihr langfristiges Ziel die „Befreiung Jerusalems“
ist. Das dritte Beispiel, der Libanon, zeigt eindrücklich, wie nationale Befreiungsbewegungen
regionale Auswirkungen haben können. Die schiitische Hezbollah-Miliz
hat sich aktiv am syrischen Bürgerkrieg auf Seite des Assad-Regimes beteiligt. Gleichzeitig
ist der Kampf gegen Israel eine der zentralen Aufgaben für die Gruppierung.
Ihr Kampf gegen die sunnitischen Aufständischen in Syrien führte dazu, dass ihre
Kämpfer von den syrischen Streitkräften aufgerüstet wurden und kampferprobt in
den Libanon zurückkehren, wo sie für Israel zum Sicherheitsproblem werden.
Der Arabische Frühling hatte außerdem auch Auswirkungen auf den Israelisch-Palästinensischen
Konflikt, wenngleich Palästina nicht direkt von den Umbrüchen
betroffen war. Speziell die israelfeindliche Hamas konnte im ersten Jahr nach der
Revolution hoffen, massiv von den Umbrüchen zu profitieren. In Ägypten kam die
Mutterorganisation der Hamas, die Muslimbruderschaft, an die Macht, und das
Sicherheitsvakuum auf der Sinai-Halbinsel konnte von der Hamas für seine Waffenbeschaffungen
genutzt werden. Doch die Volksbewegungen zeigten der zerstrittenen
palästinensischen politischen Führung (Hamas und Fatah) auch, dass auch ihnen der
Druck der Straße gefährlich werden könnte. Die Einigung zwischen den beiden ist in
diesem Licht zu sehen. Doch eine geeinte palästinensische Führung bedeutet für
Israel eine sicherheitspolitische Veränderung. Eine Beteiligung der dezidiert israelfeindlichen
Hamas an einer Palästinenserregierung ist für Israel nicht hinnehmbar.
Doch der Arabische Frühling hat auch Auswirkungen auf die israelischen Handlungsoptionen
gegenüber Palästina. Denn vor den Revolutionen konnte sich Israel sicher
sein, dass seine Reaktionen auf den Raketenbeschuss aus Gaza zwar in der arabischen
Welt kritisiert werden, aber kaum etwas dagegen unternommen wird. Denn die
Autokraten, die in der Nachbarschaft regierten, konnten es sich aus verschiedenen
Gründen nicht leisten, aktiv gegen Israel vorzugehen. Sie mussten sich auch nicht um
die öffentliche Meinung kümmern, die vielfach ein härteres Vorgehen gefordert hätte.
Doch nun sind diese Autokraten geschwächt oder nicht mehr an der Macht, und für
Israel ergibt sich nun eine völlig neue Situation: Plötzlich muss es die regionalen
Akteure stärker in seiner Palästina-Politik berücksichtigen und findet keine
bekannten Machtstrukturen mehr vor.
Der Arabische Frühling hat das regionale System des Nahen Ostens nachhaltig verändert
und einen Machtkampf um regionale Hegemonie mit religiösem Furor entfacht.
Israel verlor durch die Revolutionen und den Bürgerkrieg in Syrien eine Ordnung, in
der es sich ein gewisses Maß an Sicherheit und Vorhersehbarkeit geschaffen hatte.
Die Entmachtung der alten Ordnung und die Anarchie, die nun in der Region
vorherrscht, haben dem jüdischen Staat viel an Handlungsspielraum genommen und
seine Position innerhalb des Systems geschwächt.