Abstract (deu)
In der Hoffnung, zur Analyse der kulturellen Integration von Osteuropa in die EU beizutragen, untersucht diese Masterarbeit die Europäisierung der serbischen Filmindustrie nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens. Die Analyse der sogenannten EU-isierung und Entwicklung einer neuen Identität im osteuropäischen Kino nach dem Fall des Kommunismus zeigt eine ungebrochene kulturelle Teilung zwischen Ost- und Westeuropa, obwohl in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht der ehemalige sozialistische Block vollständig im liberalen Kapitalismus des Westens aufgegangen ist. Eine seriöse Untersuchung des negativen Feedbacks auf die nichtselektive Internationalisierung westeuropäischer Kulturpolitik hat im breiten akademischen und medialen Diskurs nicht stattgefunden. Diese Masterarbeit verfolgt die These, die Europäisierung der postsozialistischen Filmindustrie - und des Kultursektors im Allgemeinen - führe zu Opportunitätskosten, die durch die unzureichende sozioökonomische Entwicklung der postsozialistischen Staaten Osteuropas und die starre Übernahme von der EU empfohlener oder diktierter Richtlinien entstehen. Diese versuche ich am Beispiel des postjugoslawischen serbischen Kinos zu belegen. Im Begriff 'postjugoslawisches serbisches Kino' habe ich dabei besonders 'jugoslawisch' hervorgehoben, um den oft vernachlässigten Umstand zu betonen, dass Serbien ein Föderationssubjekt in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien war, die bis 1991 eine klar definierte Kulturpolitik verfolgte, die in vieler Hinsicht an das erinnert, was heute als wünschenswertes europäisches Modell gilt. Diese Masterarbeit stellt die Konzepte der Europäisierung, des Policy Transfers und der kulturellen Identität vor. Zusätzlich zu diesen theoretischen Konzepten fußt sie vor allem auf Feldforschung, d. h. der Untersuchung Eurimages-geförderter Koproduktionen mit serbischer Beteiligung – akademisch bisher unerforscht. Alle Projekte mit serbischer Beteiligung, die bis 2013 um Eurimages-Koproduktionsförderung angesucht haben – 30 haben sie erhalten, 19 nicht – sowie andere relevante Eurimages-Dokumente habe ich während meines zweimonatigen Aufenthalts beim Eurimages-Sekretariat in Straßburg untersucht. Damit stellt diese Studie die bis heute erste systematische Analyse von Primärquellen über serbisches, und bis zu einem gewissen Grad postjugoslawisches, Kino im Verhältnis zum europäischen Filmförderungsfonds Eurimages dar und bestimmt die aktuelle Position des serbischen Kinos innerhalb der europäischen Filmindustrie im Allgemeinen. Diese Studie enthält darüber hinaus Experteninterviews mit 13 Fachleuten aus der serbischen und europäischen Filmindustrie, die geeignet sind, Einblicke über die Transformation der serbischen Filmindustrie zu ermitteln. Diese Arbeit kommt zu dem Schluss, dass Opportunitätskosten und negatives Feedback zur Europäisierung der postjugoslawischen serbischen Filmindustrie zu einem großen Teil in dem Umstand begründet sind, dass die postjugoslawischen Staaten – statt eine einst potente regionale Infrastuktur zu nützen und die EU-Richtlinien nur in einem Umfang anzuwenden, der die regionale Zusammenarbeit nicht verunmöglicht (wie es die nordischen Staaten tun) – diese Richtlinien in einer Weise umsetzen, die regionale Zusammenarbeit schwächt, die regionalen nationalen Produktionen dem lokalen und internationalen Publikum entfremden und die den postjugoslawischen Raum fragmentiert und kulturell von den wirtschaftlich überlegenen EU-Kernstaaten kolonialisiert hält.
Zusammenfassend empfiehlt diese Arbeit, der Defragmentierung der postjugoslawischen Filmindustrie kulturpolitisch verstärkt Beachtung zu schenken. Da Film ein potentes kulturelles und identitätsstiftendes Produkt ist, fordert diese Arbeit eine nachhaltige, regionale Förderstruktur für ein autonomes postjugoslawisches Kino, das Europäisierung als Mittel und nicht als Selbstzweck versteht.