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Title (deu)
Außer Kontrolle!
"die Dramaturgie des Ausnahmezustands" ; zur (selbst)zerstörerischen Macht experimentalwissenschaftlicher Forschung als Motiv im populären Film
Author
Andreas Anker
Adviser
Rainer Maria Köppl
Assessor
Rainer Maria Köppl
Assessor
Brigitte Marschall
Assessor
Claus Tieber
Abstract (deu)

Aus der Geschichte wissen wir, dass dem Ringen um wissenschaftlich-technischen Fortschritt seit jeher eine grundlegende Ambivalenz innewohnt. Neuerungen werden mit Hoffnungen in ihre Möglichkeiten ebenso wie mit Ängsten vor den Gefahren, die sie mit sich bringen könnten, besetzt.
Bekanntlich können bestehende wissenschaftlich-technische Errungenschaften wie Atomkraftwerke, Flugzeuge oder U-Boote Katastrophen auslösen, wenn sie nicht oder nicht mehr wie geplant funktionieren. Viel risikoreicher, weil zumeist ‚in unbekannten Gewässern fischend‘, präsentiert sich jedoch gerade jener wissenschaftliche Bereich, welcher darauf abzielt, Innovationen bzw. neue Erkenntnisse und neue Technologien zu generieren, nämlich die experimentalwissenschaftliche Forschung. Diese läuft Gefahr, besonders bedrohliche Katastrophen zu entfesseln – und zwar dann, wenn Experimente außer Kontrolle geraten.
Fiktionale Erzählungen, die von wissenschaftlich generierten Gefahren infolge des Außer-Kontrolle-Geratens experimenteller Forschung handeln, reflektieren offenkundig kollektive Wissenschafts- und Technikängste, aber auch den für die Populärkultur nachhaltig spannenden Gedanken, dass große Innovationssprünge ebenso große Risiken in sich bergen. Jener Aspekt kommt im Wesen des Experiments als wissenschaftlicher Methode selbst zum Ausdruck: Verlauf und Ausgang eines Experiments lassen sich nie mit völliger Sicherheit vorhersagen. Genau hierin liegt der eigentliche Grund für die Durchführung eines Experiments – es soll zeigen, ob theoretische Vorhersagen und Berechnungen in der Praxis das erhoffte Resultat bringen oder eben nicht. Somit bleibt immer eine gewisse Unsicherheit bestehen, dass ein Experiment scheitern oder, von fatalen Auswirkungen begleitet, außer Kontrolle geraten könnte. Unter anderem darauf beruht die anhaltende Attraktivität des Themas.

Die vorliegende Dissertation befasst sich in diesem Sinne mit dem spezifischen Erzählmotiv des Außer-Kontrolle-Geratens experimenteller Forschung, welches nicht nur quer durch die Filmgeschichte in unzähligen populären Filmen aufgegriffen, variiert und transformiert wird, sondern eine lange Traditionslinie aufweist, die sich von prototypischen Ausformungen des Motivs in der Literatur – wie Mary Wollstonecraft Shelleys Frankenstein or The Modern Prometheus, Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde oder H. G. Wells‘ The Island of Dr. Moreau – über Legenden um künstliche Schöpfungen wie die Automate, den Homunculus oder den Golem bis zum gescheiterten Flugversuch des hochmütigen Ikarus und anderen experimentierfreudigen Gestalten der Antike zurückverfolgen lässt.
Ziel der Arbeit ist eine weiträumige Beleuchtung des Motivs, und zwar im Hinblick auf seine thematische Kontextualisierung, seine narrative Wesensbestimmung, seine kulturgeschichtlichen ‚Elemente‘ und Entwicklungslinien sowie seine Erzählvarianten. Die Arbeit richtet dabei einen besonderen Blick auf die vielgestaltigen Ausformungen des Motivs im populären Film und die darin anzutreffenden Visionen, die kollektive Menschheitsträume wie den Traum vom ewigen Leben oder den Traum vom Schlaraffenland widerspiegeln. Untersuchungsgegenstand ist vor allen Dingen ‚die Dramaturgie des Ausnahmezustands‘, jene ganz besondere dramaturgische ‚Rezeptur‘ dieser Filme, welche mit dem Reiz des Ungewissen – als immanentem Wesensmerkmal des Experiments – spielt und sich nicht nur durch konstitutive Handlungselemente, sondern auch spezifische Story-Prinzipien, narrative Varianten und einen charakteristischen, kausalen Verlauf vom Forschertraum in den Ausnahmezustand auszeichnet.
Zentral in sämtlichen Ausformungen des Motivs ist die Figur des obsessiven Wissenschaftlers, dem sein Experiment aufgrund unvorhergesehener Resultate oder Nebenwirkungen, unaufhaltsamer Eigendynamiken und/ oder auch vornehmlich aufgrund seiner eigenen Weltfremde, Amoral und Ignoranz gegenüber den Risiken außer Kontrolle gerät. Die Untersuchung der historischen Wurzeln und Vorläufer dieser Figur sowie dessen Charakterisierung als narrativer Archetyp, welcher elementare Aspekte unserer eigenen Psyche verkörpert, ist ein weiteres Anliegen dieser Arbeit.

Abstract (eng)

Every struggle for scientific and technical innovation has to cope with an inherent and fundamental ambivalence: progress is always connected to hopes and fears, dreams and nightmares.
Useful achievements, such as nuclear power plants or aircrafts, may cause sudden disasters if they stop 'working properly‘. Experimental scientific research, however, appears to be even more dangerous, especially if it aims at generating quantum leaps of positive results and technologies.
Fictional stories dealing with uncontrollable experimental research reflect and represent this dialectic of fear and hope. In addition, the idea of the experiment itself leads to dramaturgical principles which are effective and exciting: per definition, course and outcome of a risky experiment may never be predicted with absolute certainty since the degree of innovation seems to be directly proportional to the fundamental risk that something might go wrong spectacularly due to unexpected results, side effects or chain reactions.
This doctoral thesis examines the narrative motive of experimental research getting out of control in movies, a theme which has frequently been discussed, diversified and transformed throughout the long history of mankind. This very theme has a long literary-mythological tradition which ranges from the modern Prometheus Dr. Frankenstein and the split personality of Dr. Jekyll and Mr. Hyde to mythical creations, such as the Homunculus or the Golem, and even back to Icarus, the innovative daredevil of antiquity.
This dissertation’s overall objective is the interdisciplinary contextualization of the subject, analyzing the thematic context, the narrative characteristics, the motive’s cultural history and the development of contemporary variants. The dissertation’s special focus is on the individual manifestations of the aforementioned motive in popular movies which reflect collective dreams and nightmares, such as mankind’s everlasting longing for immortality or the creation of new life.
In most of these movies failed experiments lead to a state of emergency. ‘The dramaturgy of disaster’, based on the experiments’ immanent features (the uncertainty, the risk, the experiments’ momentum) which create suspense and surprise, is another central topic of analysis. The constitutive story-principles, characters and their variations are analyzed as well as the chain of events leading from the researchers’ intention directly into a state of emergency, which is a dramaturgical stereotype in popular movies.
Over and over again obsessive scientists lose control of their experiments. The fact that they seem to be caught in a vicious circle usually has to do with flaws in their character, as the analysis shows. The mad scientists’ personal faults and character flaws reflect, as a narrative archetype, fundamental traits of our own psyche. The combination of these aspects constitutes a successful sub-genre as well as fascinating topic of research.

Keywords (deu)
Wissenschaft außer Kontrollefatale ExperimenteAusnahmezustandMotivMotivgeschichtepopulärer FilmDramaturgieKulturgeschichteobsessiver WissenschaftlerMad ScientistWissenschaft zwischen Hoffnungen und ÄngstenUtopieDystopie
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1310631
rdau:P60550 (deu)
322 S. : Ill.
Number of pages
323
Members (1)
Title (deu)
Außer Kontrolle!
"die Dramaturgie des Ausnahmezustands" ; zur (selbst)zerstörerischen Macht experimentalwissenschaftlicher Forschung als Motiv im populären Film
Author
Andreas Anker
Abstract (deu)

Aus der Geschichte wissen wir, dass dem Ringen um wissenschaftlich-technischen Fortschritt seit jeher eine grundlegende Ambivalenz innewohnt. Neuerungen werden mit Hoffnungen in ihre Möglichkeiten ebenso wie mit Ängsten vor den Gefahren, die sie mit sich bringen könnten, besetzt.
Bekanntlich können bestehende wissenschaftlich-technische Errungenschaften wie Atomkraftwerke, Flugzeuge oder U-Boote Katastrophen auslösen, wenn sie nicht oder nicht mehr wie geplant funktionieren. Viel risikoreicher, weil zumeist ‚in unbekannten Gewässern fischend‘, präsentiert sich jedoch gerade jener wissenschaftliche Bereich, welcher darauf abzielt, Innovationen bzw. neue Erkenntnisse und neue Technologien zu generieren, nämlich die experimentalwissenschaftliche Forschung. Diese läuft Gefahr, besonders bedrohliche Katastrophen zu entfesseln – und zwar dann, wenn Experimente außer Kontrolle geraten.
Fiktionale Erzählungen, die von wissenschaftlich generierten Gefahren infolge des Außer-Kontrolle-Geratens experimenteller Forschung handeln, reflektieren offenkundig kollektive Wissenschafts- und Technikängste, aber auch den für die Populärkultur nachhaltig spannenden Gedanken, dass große Innovationssprünge ebenso große Risiken in sich bergen. Jener Aspekt kommt im Wesen des Experiments als wissenschaftlicher Methode selbst zum Ausdruck: Verlauf und Ausgang eines Experiments lassen sich nie mit völliger Sicherheit vorhersagen. Genau hierin liegt der eigentliche Grund für die Durchführung eines Experiments – es soll zeigen, ob theoretische Vorhersagen und Berechnungen in der Praxis das erhoffte Resultat bringen oder eben nicht. Somit bleibt immer eine gewisse Unsicherheit bestehen, dass ein Experiment scheitern oder, von fatalen Auswirkungen begleitet, außer Kontrolle geraten könnte. Unter anderem darauf beruht die anhaltende Attraktivität des Themas.

Die vorliegende Dissertation befasst sich in diesem Sinne mit dem spezifischen Erzählmotiv des Außer-Kontrolle-Geratens experimenteller Forschung, welches nicht nur quer durch die Filmgeschichte in unzähligen populären Filmen aufgegriffen, variiert und transformiert wird, sondern eine lange Traditionslinie aufweist, die sich von prototypischen Ausformungen des Motivs in der Literatur – wie Mary Wollstonecraft Shelleys Frankenstein or The Modern Prometheus, Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde oder H. G. Wells‘ The Island of Dr. Moreau – über Legenden um künstliche Schöpfungen wie die Automate, den Homunculus oder den Golem bis zum gescheiterten Flugversuch des hochmütigen Ikarus und anderen experimentierfreudigen Gestalten der Antike zurückverfolgen lässt.
Ziel der Arbeit ist eine weiträumige Beleuchtung des Motivs, und zwar im Hinblick auf seine thematische Kontextualisierung, seine narrative Wesensbestimmung, seine kulturgeschichtlichen ‚Elemente‘ und Entwicklungslinien sowie seine Erzählvarianten. Die Arbeit richtet dabei einen besonderen Blick auf die vielgestaltigen Ausformungen des Motivs im populären Film und die darin anzutreffenden Visionen, die kollektive Menschheitsträume wie den Traum vom ewigen Leben oder den Traum vom Schlaraffenland widerspiegeln. Untersuchungsgegenstand ist vor allen Dingen ‚die Dramaturgie des Ausnahmezustands‘, jene ganz besondere dramaturgische ‚Rezeptur‘ dieser Filme, welche mit dem Reiz des Ungewissen – als immanentem Wesensmerkmal des Experiments – spielt und sich nicht nur durch konstitutive Handlungselemente, sondern auch spezifische Story-Prinzipien, narrative Varianten und einen charakteristischen, kausalen Verlauf vom Forschertraum in den Ausnahmezustand auszeichnet.
Zentral in sämtlichen Ausformungen des Motivs ist die Figur des obsessiven Wissenschaftlers, dem sein Experiment aufgrund unvorhergesehener Resultate oder Nebenwirkungen, unaufhaltsamer Eigendynamiken und/ oder auch vornehmlich aufgrund seiner eigenen Weltfremde, Amoral und Ignoranz gegenüber den Risiken außer Kontrolle gerät. Die Untersuchung der historischen Wurzeln und Vorläufer dieser Figur sowie dessen Charakterisierung als narrativer Archetyp, welcher elementare Aspekte unserer eigenen Psyche verkörpert, ist ein weiteres Anliegen dieser Arbeit.

Abstract (eng)

Every struggle for scientific and technical innovation has to cope with an inherent and fundamental ambivalence: progress is always connected to hopes and fears, dreams and nightmares.
Useful achievements, such as nuclear power plants or aircrafts, may cause sudden disasters if they stop 'working properly‘. Experimental scientific research, however, appears to be even more dangerous, especially if it aims at generating quantum leaps of positive results and technologies.
Fictional stories dealing with uncontrollable experimental research reflect and represent this dialectic of fear and hope. In addition, the idea of the experiment itself leads to dramaturgical principles which are effective and exciting: per definition, course and outcome of a risky experiment may never be predicted with absolute certainty since the degree of innovation seems to be directly proportional to the fundamental risk that something might go wrong spectacularly due to unexpected results, side effects or chain reactions.
This doctoral thesis examines the narrative motive of experimental research getting out of control in movies, a theme which has frequently been discussed, diversified and transformed throughout the long history of mankind. This very theme has a long literary-mythological tradition which ranges from the modern Prometheus Dr. Frankenstein and the split personality of Dr. Jekyll and Mr. Hyde to mythical creations, such as the Homunculus or the Golem, and even back to Icarus, the innovative daredevil of antiquity.
This dissertation’s overall objective is the interdisciplinary contextualization of the subject, analyzing the thematic context, the narrative characteristics, the motive’s cultural history and the development of contemporary variants. The dissertation’s special focus is on the individual manifestations of the aforementioned motive in popular movies which reflect collective dreams and nightmares, such as mankind’s everlasting longing for immortality or the creation of new life.
In most of these movies failed experiments lead to a state of emergency. ‘The dramaturgy of disaster’, based on the experiments’ immanent features (the uncertainty, the risk, the experiments’ momentum) which create suspense and surprise, is another central topic of analysis. The constitutive story-principles, characters and their variations are analyzed as well as the chain of events leading from the researchers’ intention directly into a state of emergency, which is a dramaturgical stereotype in popular movies.
Over and over again obsessive scientists lose control of their experiments. The fact that they seem to be caught in a vicious circle usually has to do with flaws in their character, as the analysis shows. The mad scientists’ personal faults and character flaws reflect, as a narrative archetype, fundamental traits of our own psyche. The combination of these aspects constitutes a successful sub-genre as well as fascinating topic of research.

Keywords (deu)
Wissenschaft außer Kontrollefatale ExperimenteAusnahmezustandMotivMotivgeschichtepopulärer FilmDramaturgieKulturgeschichteobsessiver WissenschaftlerMad ScientistWissenschaft zwischen Hoffnungen und ÄngstenUtopieDystopie
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1310632
Number of pages
323