Abstract (deu)
Verwandtschaftsnamen gehören genau wie die Bezeichnungen von Tieren und Pflanzen, Körperteilen, Naturerscheinungen und Zahlwörtern zu dem konservativsten Wortschatz der indogermanischen Sprachen. Diese Wortgruppe zeigt nicht nur sprachwissenschaftlich besonders archaische Wortbildungsmuster, sondern erlaubt auch einen Einblick in Lebensweise, Mentalität und die soziale Struktur der grundsprachlichen und (alt)indogermanischen Sprachgemeinschaften. Rekonstruktion der urindogermanischen Verwandtschaftsnamen und ihre Deutung sind aber nicht nur wichtig für Indogermanistik, sondern auch bedeutsam für Anthropologen und Ethnologen.
Die verbreiteste Forschungsmeinung ist, dass die urindogermanische Gesellschaft patriarchalisch, virilokal, vaterrechtlich, exogam, und grundsätzlich monogam war. Innerhalb der Anthropologie und Ethnologie wird weiterhin versucht, das indogermanische Verwandtschaftssystem einem der von L.H. Morgan (1871) formulierten klassischen Typen zuzuschreiben. Die Beleglage lässt vermuten, dass die urindogermanische Verwandtschaftsterminologie zu dem sog. Omaha-Typ oder zu dem Deskriptiven (Sudanischen) Typ gehörte. Beide Vermutungen stützen sich auf starke Argumente, die im Laufe meiner Untersuchung besprochen werden.
Der Schwerpunkt dieser Masterarbeit liegt allerdings auf der sprachwissenschaftlichen Analyse der rekonstruierbaren Verwandtschaftsnamen auf der Grundlage von älterer und rezentester Literatur. Besondere Beachtung gilt den Verwandtschaftsnamen auf *-ter. Es wird versucht, die ursprüngliche Funktion und Semantik dieses Suffixes im Rahmen der Verwandtschaftsnamen festzustellen. Das Hauptziel dieser kritischen Zusammenfassung ist es, sich eine Vorstellung von der Struktur der urindogermanischen Familie und in weiterer Folge vom Sozialsystem der urindogermanischen Gesellschaft zu machen.