Abstract (deu)
Das Ziel dieser Dissertation ist die Analyse der aktuellen Situation der Kommodifizierung von Kultur. Dies ist ein Prozess der Transformation und Kommerzialisierung lokalen kulturellen Elementen in verkaufsfähige Güter für den Tourismusmarkt. Die kulturellen Aktivitäten und jene die sie produzieren sind in der modernden Welt des Tourismus wichtige Attraktionen geworden. Die Repräsentation und Reproduktion von Kultur führt zu Interessenskonflikten zwischen den lokalen Stakeholdern, die im Tourismus und Kulturbereich tätig sind. Ich definiere die unterschiedlichen kulturellen Tätigkeiten als 'lebendes Kulturgut' (living cultural heritage). Diese Definition greift die Konzepte bezüglich des immateriellen, materiellen, kulturellen, und natürlichen Kulturguts von UNESCO auf.
Für diese Forschung habe ich die Stadt New Orleans, USA, ausgewählt. Seit 2006 gibt es in New Orleans die "Initiative Kulturwirtschaft" (Cultural Economy Initiative) welche eng mit der aufstrebenden Tourismusbranche zusammenarbeitet. Gemeinsam feilen diese Institutionen an Strategien wie die lokalen kulturellen Elemente in Güter umgewandelt werden können. Tourismus- und Kultursektor bilden die beiden größten Beschäftigungsfelder (rund 76.000 Menschen werden in diesen Wirtschaftssektoren beschäftigt), dies bedeutet für den lokalen Kontext: mit Kultur macht man gutes Geschäft.
Die Kommodifizierung von kulturellen Aktivitäten in Tourismusprodukte führt zu Interessenskonflikten unter den lokalen Akteuren, diese sind Musiker, Bewohner und Teilnehmer, Organisatoren kultureller Events, öffentliche Institutionen und Unternehmen im Tourismusbereich. Die Forschung fokussiert auf jene Konflikte, die in Zusammenhang mit den fünf ausgewählten Elementen des lebenden Kulturerbes auftreten: Musik, Festivals, Paraden, 'second lines' und Mardi Gras Indianer, Religion und Glaube an das Übernatürliche. Desweiteren analysiere ich inwiefern die Tourismusbranche zu Veränderungen der kulturellen Aktivitäten beiträgt und welche Reaktionen dies bei den Akteuren auslöst.
Die Forschung basiert auf anthropologischen Erhebungs- und Analysemethoden wie die erweiterte Fallstudie und die Situationsanalyse welche von Burawoy (1998), Gluckman (1958), Mitchell (1959), und anderen ausführlich beschrieben wurden. In den Jahren 2012 und 2013 habe ich mittels ethnographischer Feldforschung durch qualitative Interviews und teilnehmender Beobachtung relevante Daten gesammelt. Meine Interviewpartner sind aus den Bereichen der darstellenden Kunst und Musik, Mitglieder von Organisationen kultureller Ereignisse (soziale Vereine, Krewes, Mardi Gras Indianerstämme, etc.), kulturelle Einrichtungen (Stiftungen, Museen, Verbände), Wissenschaftler, Autoren, Journalisten, aus der Tourismusbranche oder von öffentlichen Institutionen des Bundesstaates Louisiana und der Stadt New Orleans.
Die Ergebnisse zeigen, dass es in allen fünf kulturellen Elementen meiner Analyse zu mehreren konfliktreichen Situationen kommt, welche auf den Einfluss der Tourismusbranche zurückzuführen sind. Bezüglich des Fallbeispiels der Musik ergeben sich heftige Diskussionen wegen der bevorstehenden Einführung einer Lärmschutzverordnung für Bars und im öffentlichen Bereich. Die relativ geringe Bezahlung an Musiker, unvorteilhafte Arbeitsbedingungen (besonders auf Bourbon Street im French Quarter), und die lahme Musikindustrie tragen zusätzlich zu den Interessenskonflikten bei. Bei den Festivals dreht sich die Analyse um die Frage ob solche Events hauptsächlich veranstaltet werden, um finanzielle Einnahmen zu steigern. Die Organisation der weltweit bekannten Mardi Gras Faschingsumzüge führen ebenfalls zu Unstimmigkeiten aufgrund von verordneten Veränderungen und der Erfindung neuer Traditionen. Problematische Beziehungen, hervorgerufen durch die Kommodifizerung, ergeben sich auch bei den sogenannten 'second lines' und Events von Mardi Gras Indianern. Diese tanzorientierten Umzüge der afro-amerikanischen Bevölkerung, sie werden von Blasmusikbands angeführt, werden immer mehr als Tourismusattraktion vorgeführt. Die Vereine und Stämme, welche diese Events organisieren, sind daher Problemen wie Urheberrecht, Entlohnung, Bedingungen während Aufführungen und Verträgen ausgesetzt. Die erweiterte Kommerzialisierung indianischer Identität und der lokalen Kultur der 'second lines' resultiert in Identitätskrisen bezüglich der Missachtung "ihrer Kultur." Die Analyse des Kulturelements Religion und Glaube an das Übernatürliche zeigt, wie Friedhöfe, Beerdigungen, der morbide Charakter der Stadt, sowie Vodou Zeremonien als Tourismusattraktionen angeboten werden.
Mit meiner Analyse habe ich folgende Hauptkonflikte bezüglich der Kommodifizierung von Kultur identifiziert. Konfliktherde sind das Recht des geistigen und kulturellen Eigentums, das Recht kulturelle Aktivitäten auszuführen, und die Frage ob diese Kulturelemente als Unterhaltungstourismus vermarktet werden sollen. Diese werden zwischen den zahlreichen kulturellen Akteuren, der Tourismusbranche und der Stadt als Kontrollbehörde ausgetragen.