Abstract (deu)
Chlamydien sind eine Gruppe höchst erfolgreicher, obligat intrazellulärer Bakterien, die seit mehr als 700 Millionen Jahren mit eukaryotischen Wirtszellen assoziiert sind. Im Unterschied zu beinahe allen anderen Bakterien scheint der Zellhülle der Chlamydien eine stabilisierende und formgebende Peptidoglykanschicht zu fehlen. Stattdessen wird das Elementarkörperchen, das stabile, extrazelluläre und infektiöse Entwicklungsstadium der Chlamydien, durch eine starke Quervernetzung mittels Disulfidbrücken cysteinreicher Außenmembranproteine stabilisiert. Diese Disulfidbrücken werden nach Aufnahme der Elementarköperchen in die Wirtszelle reduziert, wodurch das flexiblere und labilere Retikularkörperchen entsteht, die metabolisch hochaktive und sich teilende Form der Chlamydien. Dieser typische Aufbau der Zellhülle und die damit verbundenen Prozesse wurden an Mitgliedern der Familie Chlamydiaceae untersucht, die seit über einem Jahrhundert bekannt ist und wichtige human- und tierpathogene Arten umfasst. Da Proteine in der Außenmembran der Chlamydiaceae großes Potential als Impfstoffkandidaten haben, wurde die Proteinzusammensetzung der Außenmembran sowie die häufigsten Proteine der Chlamydiaceae ausführlich untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Hauptkomponenten, das Porin MOMP und die beiden cysteinreichen Proteine OmcA und OmcB, in allen Arten der Chlamydiaceae konserviert sind.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die bekannte Diversität der Chlamydien stark erhöht und neue Familien, die auch als „Umweltchlamydien“ zusammengefasst werden, wurden als Symbionten von Amöben, Insekten und Fischen entdeckt. Im Rahmen dieser Doktorarbeit wurden unterschiedliche Aspekte der Zellhülle einiger Vertreter dieser Umweltchlamydien untersucht. Unter Verwendung von Cryo-Elektronentomographie, einer Technik die die Visualisierung von Organismen ohne chemische Fixierung mit makromolekularer Auflösung erlaubt, konnten wir im Periplasma des Amöbensymbionten Protochlamydia amoebophila eine zusätzliche Schicht detektieren, die Peptidoglykan anderer Gram-negativer Bakterien ähnelt. Der Einbau von fluoreszent markiertem D-Alanin, einem essentiellen Bestandteil von Peptidoglykan, zeigte, dass P. amoebophila Peptidoglykan synthetisiert, und mittels Massenspektrometrie konnten Bestandteile von Peptidoglykan in aufgereinigten Sacculi nachgewiesen werden. Dies war der erste Nachweis von Peptidoglykan in einem Vertreter der Chlamydien. Interessanterweise zeigten massenspektrometrische Untersuchungen von Außenmembranproteinpräparationen von Mitgliedern dreier unterschiedlicher Chlamydienfamilien, dass nicht alle Chlamydien cysteinreiche Proteine zur Stabilisierung der Zellhülle besitzen. In Abwesenheit dieser Proteine wird Simkania negevensis im Gegensatz zu anderen Chlamydien auch nicht durch das Reduktionsmittel Dithiothreitol destabilisiert. Auch hinsichtlich des häufigsten Porins in der Außenmembran gibt es Unterschiede zwischen den Chlamydienfamilien. Die Außenmembran von S. negevensis und Waddlia chondrophila wird von großen Familien MOMP-ähnlicher Proteine dominiert. Im Gegensatz dazu sind MOMP-Homologe in Mitgliedern der Parachlamydiaceae entweder nicht (P. amoebophila) oder nur in sehr geringen Mengen (Parachlamydia acanthamoebae) in der Außenmembrane vorhanden. Stattdessen dominieren hypothetische Proteine die Außenmembran dieser Organismen, für die in silico die Bildung von Beta-Barrel-Strukturen, ein Merkmal von Porinen, vorhergesagt wurde. Durch die Charakterisierung der zwei häufigsten Vertreter dieser Proteine in P. amoebophila konnten wir zeigen, dass diese tatsächlich in der Außenmembran lokalisiert sind. Darüberhinaus konnte für eines der Proteine auch die Funktion als Porin nachgewiesen werden.
Um über die Barriere der Zellhülle und die Membran der Vakuole, in der sich Chlamydien in der Wirtszelle befinden, Effektorproteine in die Wirtszelle zu sekretieren verwenden Chlamydien Typ-III- Sekretionssysteme, wodurch beispielsweise Organellen der Wirtszelle zur Vakuole rekrutiert werden. Unter Verwendung von Cryo-Elektronentomographie konnten wir erstmals Typ-III-Sekretionssysteme von Umweltchlamydien visualisieren und zudem zeigen, dass S. negevensis ähnlich wie Chlamydia trachomatis das endoplasmatische Retikulum der Wirtszelle zur Vakuole rekrutiert.
All dies zeigt, dass einige Komponenten, wie das Typ-III-Sekretionssystem, in Mitgliedern verschiedener Chlamydienfamilien konserviert sind und somit für die erfolgreiche Infektion eukaryotischer Zellen durch Chlamydien notwendig sind. Die Diversität in der Proteinzusammensetzung der Außenmembran sowie die Fähigkeit einiger Chlamydien Wirtszellorganellen zu rekrutieren stellt hingegen eine Anpassung an unterschiedliche Wirte dar und trägt damit zu dem immensen Wirtsspektrum dieser Bakterien bei.