Abstract (deu)
Im Zentrum dieser Arbeit steht die Selbstinszenierung von österreichischen Sportlerinnen und Sportlern auf deren persönlichen Homepages in Bezug auf die Konstruktion von traditionellen Geschlechterrollen. Hintergrund für das Forschungsinteresse in diesem Bereich bilden einerseits die Darstellungsprinzipien der Sportberichterstattung in den klassischen Mas-senmedien, welche immer noch erhebliche Geschlechterunterschiede konstruieren und andererseits die wachsende Notwendigkeit für Spitzen-sportler, sich erfolgreich zu vermarkten. Sportlerinnen sind in der medialen Berichterstattung seit jeher unterrepräsentiert und zahlreiche inhaltsanaly-tische Untersuchungen identifizierten unterschiedliche Strategien der ge-schlechterdifferenzierenden Repräsentation (vgl. Rulfos: 2013): Verniedlichung, Trivialisierung und Sexualisierung in der journalistischen Sprache und der visuellen Kommunikation gehören zu den typischen me-dialen Darstellungsprinzipien für Sportlerinnen. Durch die voranschreitende Professionalisierung und Kommerzialisierung des Veranstaltungssports und die finanziellen Belastungen, welche der Spitzensport für die AtheltInnen mit sich bringt, ist es für viele Akteure im Sport zu einer notwendigen Strategie geworden, Sportler als „Sportstars“ beziehungsweise als erfolg-reiche Personenmarken aufzubauen (vgl. Schierl: 2011, S. 341) – ent-sprechend müssen sich die SportlerInnen attraktiv präsentieren: Für die Öffentlichkeit, für das Publikum, für Sponsoren.
Aus den genannten Gründen beschäftigt sich die Untersuchung damit, inwiefern bei der Online-Selbstinszenierung der Sportlerinnen geschlech-terstereotype Unterschiede, wie sie noch immer in der Sportberichterstat-tung konstruiert werden, festzustellen sind. Untersucht wurden zu diesem Zweck 16 persönliche Homepages von österreichischen Spitzensportle-rInnen – aus acht Sportarten wurde der Onlineauftritt jeweils einer Frau und eines Mannes analysiert. Vier der Sportarten sind in den Medien stark repräsentierte Disziplinen, vier medial eher unterrepräsentierte Sportarten.
Die theoretische Basis für die Untersuchung der Selbstdarstellung der Sportlerinnen und Sportler bildet die Theorie der sozialen Konstruktion von Geschlecht, speziell das Konzept des Doing Gender (West & Zimmermann: 1987). Geschlecht bedeutet beim Doing Gender „Geschlechterdarstellung“ – die Zuordnung eines Menschen zum Geschlecht Mann oder Frau wird dabei in sozialen Interaktionen ständig konstruiert und aufrechterhalten. Kulturelle Symbole, wie etwa Bewegung, Gestik, Kleidung, Verhalten oder Emotionen bilden die Basis für die Herstellung des sozialen Geschlechts „Gender“. Geschlechterstereotype – „typische“ Eigenschaften und Verhaltensweisen, in denen sich weibliche und männliche Personen unterscheiden werden hierbei transportiert und haben vielfältige Auswirkungen, denn sie finden sich in der sozialen Wahrnehmung und Interaktion, im Selbstbild, in Interessen, der Berufswahl, Arbeitsteilung, im Sport und vielen anderen Bereich (vgl. Alfermann: 2008, S.3).
Fasst man die Grundgedanken der sozialkonstruktivistischen Geschlechtertheorie zusammen, ist Geschlecht also nicht etwas, das wir haben oder sind, sondern etwas was wir tun, was wir in unseren alltäglichen Interaktionen mit Anderen immer wieder herstellen und aufrechterhalten.
Ziel war es, herauszufinden inwiefern bei der Online-Selbstinszenierung von österreichischen Spitzensportlerinnen und Sportlern auf deren persönlichen Homepages geschlechterstereotype Unterschiede aus der Sportberichterstattung festzustellen sind. In welchem Ausmaß und bei welchen Aspekten der Selbstdarstellung wird Geschlecht im Sinne der sozialen Konstruktion von Geschlecht und des Doing-Gender-Konzepts hergestellt? Gibt es Bereichen, in denen sich SportlerInnen als performativ „männlich“ beziehungsweise „weiblich“ darstellen und wo sind eventuell Gemeinsamkeiten und eine Auflösung von Geschlechterunterschieden festzustellen?
Um der beschriebenen Fragestellung gerecht zu werden, wurden die Homepages umfangreich und hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte untersucht: Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich auf textlicher Ebene hinsichtlich der Inszenierung als erfolgreiche(r) Sportler(in) und in Bezug auf die Thematisierung von außersportlichen Aspekten beziehungsweise der Inszenierung als Privatperson feststellen? Noch intensiver wurde die visuelle Darstellung in den Blick genommen: Welchen Stellenwert hat die visuelle Inszenierung generell? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich hinsichtlich der visuellen Präsentation als aktive(r) und erfolgreiche(r) SporlterIn feststellen? Inwieweit lassen sich Differenzen beim Bildausschnitt und den präsentierten Jubelposen feststellen? In welchem Ausmaß können auf den veröffentlichten Fotos „Männlichkeits-„ und „Weiblichkeitsrituale“, die in der Körpersprache zum Ausdruck kommen (vgl. Mühlen Achs 1995/1998), identifiziert werden?
Im Zentrum der Untersuchung stehen die Inhalte der SportlerInnen-Homepages – aus diesem Grund wurde für die vorliegende Arbeit die Inhaltsanalyse als empirische Methode eingesetzt. Mithilfe einer Kombination aus qualitativen und quantitativen Schritten nach Mayring (2010, S. 20 f) wurde zuerst aus der Theorie und den Erkenntnissen aus dem Forschungsstand ein umfangreiches Kategoriensystem abgeleitet, mit welchem im Anschluss die gesamten Homepage-Inhalte inhaltsanalytisch untersucht wurden. Entsprechend dem Forschungsinteresse wurden dabei sowohl die textliche, als auch die visuelle Ebene in den Blick genommen. Mit einem zweiten Kategoriensystem fand zusätzlich eine Detailanalyse von insgesamt 80 Bildern statt (jeweils 5 Bilder wurden mittels systematischem Schlüssel aus den Fotogalerien der SportlerInnen „gezogen“). Die gewonnen Daten wurden in das Statistikprogramm SPSS eingegeben und durch dieses ausgewertet. Mittels Häufigkeits-Kreuztabellen und Mittelwertvergleichen wurden die Homepage-Inhalte von Frauen und Männern miteinander verglichen. Außerdem fand ein Vergleich zwischen Frauen aus medialen Haupt- und Randsportarten statt.
Zusammenfassend scheint auf den untersuchten SportlerInnen-Homepages sowohl auf der textlichen, als auch auf der visuellen Ebene bei beiden Geschlechtern die Inszenierung im Sportbereich und die Darstellung der sportlichen Leistungen und Erfolge das wichtigste Thema zu sein. Von einer Aufrechterhaltung geschlechterstereotyper Unterschiede aus der klassischen Sportberichterstattung im Sinne der sozialen Konstruktion von Geschlecht kann auf den persönlichen Homepages im Großen und Ganzen nur hinsichtlich der visuellen Inszenierung des äußeren Erscheinungsbildes gesprochen werden. Größere Unterschiede hinsichtlich der visuellen Präsentation gab es allerdings im Vergleich zwischen Frauen aus medialen Rand- und Hauptsportarten – interessanterweise präsentieren sich die Frauen aus den Randsportarten sowohl stärker im Sportbereich und als erfolgreiche und körperlich starke Sportlerinnen, als auch in vielfacher Hinsicht als attraktive Frauen. Die Inszenierung der Frauen als aktive, erfolgreiche Sportlerinnen UND attraktive, weibliche Frauen lässt die Interpretation zu, dass die Sportlerinnen die ihnen gegebenen Möglichkeiten einer erfolgreichen Vermarktung bestmöglich und umfangreich zu nutzen versuchen – nach Schierl (vgl. 2011, S. 335ff) ist die äußere Erscheinung von SpitzensportlerInnen einer der wichtigsten, zumindest teilweise steuerbaren Bereiche im Rahmen eines professionellen Sportlermarketings.
Die „Pionierstudien“ im Bereich der Online-Selbstinszenierung von SportlerInnen vor dem Hintergrund der sozialen Konstruktion von Geschlecht (vgl. z.B. Pauli: 2008, Lebel: 2013) legen insgesamt nahe, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Eigeninszenierung auf den jeweiligen Onlineauftritten geringer ausgeprägt sind als in den klassischen Sportmedien, da sowohl Aspekte von Doing Gender als auch von Undoing Gender gefunden werden konnten und sich Geschlechterdifferenzen ausschließlich bei den veröffentlichten Fotos finden lassen. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung fügen sich nahtlos in die eben genannten ein und können diese noch spärlich gesäten Tendenzen (in Bezug auf die geringe Anzahl der bestehenden Studien) im Bereich der sozialen Konstruktion von Geschlecht bei der Online-Selbstinszenierung von SporlterInnen bestätigen.